Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. anfängliche Unrichtigkeit der Leistungsbewilligung. Einfrieren der Versorgungsrente nach Antrag auf Übernahme von Heilbehandlungskosten
Orientierungssatz
1. Eine zeitlich unbeschränkte Anwendung des § 48 Abs 3 SGB 10 ist aus dem Rechtsgedanken des § 62 Abs 3 BVG ausgeschlossen, wenn bei über 55 Jahre alten Versorgungsberechtigten die MdE seit mehr als zehn Jahren unverändert geblieben ist. Derartige Versorgungsberechtigte sollen nicht mehr mit einem Eingriff in ihr Versorgungsverhältnis rechnen müssen (vgl BSG vom 29.8.1990 - 9a/9 RV 32/88 = SozR 3-3100 § 62 Nr 1 = Breith 1991, 503).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 29.8.1990 - 9a/9 RV 32/88 = SozR 3-3100 § 62 Nr 1 = Breith 1991, 503, BSG vom 8.3.1995 - 9 RV 7/93, BSG vom 12.12.1995 - 9 RV 26/94 = SozR 3-3100 § 62 Nr 2 = Breith 1996, 476) ist § 62 Abs 3 S 1 BVG im Wege der erweiternden Auslegung nicht nur auf die Fälle anwendbar, in denen wegen einer Besserung der Gesundheitsstörungen die anerkannte MdE herabzusetzen ist, sondern erfaßt auch die Fallgestaltungen, in denen die MdE des Versorgungsberechtigten von Anfang an zu hoch festgestellt worden ist. Deshalb darf die aufgrund einer solchen MdE gewährte Leistung nicht nach § 48 Abs 3 SGB 10 von der regelmäßigen jährlichen Anpassung (Erhöhung) der Versorgungsrente an die wirtschaftliche Entwicklung gemäß § 56 BVG ausgespart werden. Die vom Bundessozialgericht entwickelte erweiterte Auslegung des § 62 Abs 3 BVG gilt auch im Fall eines Verwaltungsverfahrens, das bezüglich eines Antrages auf Übernahme von Heilbehandlungskosten eingeleitet worden ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Feststellung der zweifelsfreien Unrichtigkeit der Anerkennung von Schädigungsfolgen und das Einfrieren der nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gezahlten Versorgungsrente.
Der 1925 geborene Kläger ist schwerkriegsbeschädigt.
Mit Abhilfebescheid vom 24.11.1978 erkannte der Beklagte aufgrund eines Gutachtens des Internisten Dr. St bei dem Kläger zuletzt folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem BVG an:
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2. |
reizlose Narben am linken Oberarm und am linken Oberschenkel, |
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3. |
Herzmuskelschaden bei altersbedingter Verhärtung der Herzkranzgefäße, narbig ausgeheilter Herzinfarkt, Zustand nach 4-facher Bypass-Operation, |
und zwar zu 1. und 2. hervorgerufen, zu 3. verschlimmert durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete er ab 01.06.1978 mit 80 v.H.
Im Rahmen eines 1987 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens bezüglich der Übernahme von Heilbehandlungskosten gelangte der Internist Dr. K in einer Stellungnahme vom 31.07.1989 zu dem Ergebnis, daß die Anerkennung des Herzleidens zweifelsfrei unrichtig sei. Nach Anhörung des Klägers erteilte der Beklagte am 25.07.1994 einen auf § 48 Abs. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) gestützten Bescheid, womit er feststellte, daß der Bescheid vom 24.11.1978 insoweit zweifelsfrei unrichtig im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG sei, als zusätzlich das Leiden zu 3. anerkannt und die MdE auf mehr als 50 v.H. erhöht worden sei. Diese Rente sei von künftigen Erhöhungen einstweilen ausgeschlossen. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid vom 24.11.1978 sei zweifelsfrei unrichtig gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BVG, er könne jedoch nach Ermessensgesichtspunkten wegen Ablaufs der Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden. In Anwendung des § 45 SGB X in Verbindung mit § 48 Abs. 3 SGB X sei die Rente des Klägers daher auf dem aktuellen Stand einzufrieren.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 29.08.1990 -- 9a/9 RV 32/88 --) Widerspruch ein. Am 22.11.1994 wies der Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Er führte aus, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne nicht gefolgt werden, weil es sich dabei um eine Einzelentscheidung handele und der Rechtsgedanke des § 62 Abs. 3 Satz 1 BVG nicht auf Fälle anfänglicher Rechtswidrigkeit ausgeweitet werden könne.
Hiergegen hat der Kläger die am 13.12.1994 bei dem Sozialgericht Düsseldorf eingelegte Klage erhoben und zusätzlich vorgetragen, die Anerkennung der Herzerkrankung sei keine zweifelsfrei unrichtige Entscheidung. Eine Rücknahme der Anerkennung käme auch aus diesem Grunde nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Kardiologen Dr. B eingeholt.
Mit Urteil vom 10.07.1996 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nimmt der Senat Bezug.
Gegen dieses ihnen am 17.09.1996 und 16.09.1996 zugestellte Urteil richten sich die am 15.10.1996 und 11.10.1996 eingelegten Berufungen des Beklagten und des Klägers.
Zur Begründung trägt der Beklagte vor:
Das BSG habe in seinem Urteil vom 12.12.1995 -- 9 RV 26/94 -- herau...