Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftsverlangen zu gespeicherten Sozialdaten. Konkretisierung. Datenschutz-Grundverordnung. elektronische Übermittlung der Daten. Schadensersatzanspruch nach Art 82 Abs 1 EUV 2016/679. immaterieller Schaden. Voraussetzungen. Eröffnung des Anwendungsbereichs

 

Orientierungssatz

1. Bei § 83 Abs 2 S 1 SGB 10 handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, die lediglich Beschleunigungs- und nicht Ausschlussfunktion hat (vgl BSG vom 13.11.2012 - B 1 KR 13/12 R = BSGE 112, 170 = SozR 4-1500 § 54 Nr 27).

2. Zur Pflicht, die in Art 15 EUV 2016/679 genannten Informationen auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen, wenn die betroffene Person den Antrag auf Auskunftserteilung elektronisch stellt.

3. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs nach Art 82 Abs 1 EUV 2016/679 wegen eines geltend gemachten immateriellen Schadens.

4. Der Anwendungsbereich des Schadensersatzanspruchs gemäß Art 82 Abs 1 EUV 2016/679 ist nur eröffnet, wenn ein Verstoß durch die Verarbeitung selbst in Betracht kommt, die verordnungswidrig sein muss (vgl ua LG Baden-Baden vom 9.3.2023 - 3 O 248/22 = ZD 2023, 756, LG Münster vom 7.3.2023 - 02 O 54/22 = ZD 2023, 689 und LG Frankfurt vom 27.1.2023 - 2-27 O 158/22).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2022 wird aufgehoben.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von immateriellem Schadensersatz i.H.v. 5.000 EUR auf der Grundlage von Art. 82 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Der Kläger bezog von 2005 bis 2009, für sieben Monate im Jahr 2013 und für einen Monat im Jahr 2016 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit E-Mail vom 16.07.2019 beantragte der Kläger beim Beklagten die Auskunft über seine bei diesem verarbeiteten, personenbezogenen Daten nach Art. 15 DSGVO. Er begehre Auskunft in dem in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO genannten Umfang, mithin zu den Verarbeitungszwecken; zu den Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; zu den Empfängern oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden seien oder noch offengelegt würden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen; falls möglich, zu der geplanten Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert würden, oder - falls dies nicht möglich sei - zu den Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; zu dem Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; zu dem Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben worden seien, zu allen verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; zu dem Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 und - zumindest in diesen Fällen - aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person. Sein Auskunftsverlangen erstrecke sich auch auf den vollständigen Inhalt der Leistungsakten einschließlich der Vermerke in den elektronischen Dokumentationssystemen betreffend den Angelegenheiten nach dem SGB II sowie zu den durchgeführten Erstattungsverfahren (z.B. mit der Agentur für Arbeit) und den durchgeführten gerichtlichen Verfahren. Es sei mitzuteilen, ob personenbezogene Daten in Drittakten verarbeitet worden seien (z.B. in Akten, die in Angelegenheiten einer anderen Person geführt wurden); falls ja, sei diese Person zu benennen. Außerdem seien alle vereinnahmten und verauslagten Erstattungsbeträge (z.B. mit anderen Sozialleistungsträgern mit Angabe der beteiligten Stellen), den Erstattungszeitraum, die Erstattungshöhe und die Rechtsgrundlage der Erstattung anzugeben. Zudem beantragte der Kläger die Erteilung einer Kopie der vollständigen personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung waren. Der Kläger beantragte die Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO in einem gängigen elektronischen Format, z.B. PDF.

Nachdem der Kläger keine Rückmeldung vom Beklagten erhielt, erinnerte er mit Schreiben vom 21.08.2019 und 11.09.2019 an sein Auskunftsersuchen. Die beiden Schreiben versandte der Kläger per Fax an den Beklagten. Auf den vom Kläger vorgelegten Sendeprotokollen ist jeweils als Status "versandt" vermerkt.

Am 30.10.2019 wandte der Kläger sich mit einer Beschwerde nach Art. 77 DSGVO an die Landesbeauftragte für Datenschutz und In...

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