Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit um immateriellen Schadensersatz wegen verspäteter Erteilung einer Datenauskunft
Leitsatz (amtlich)
1. Die verspätete Erfüllung des Anspruchs auf Datenauskunft nach Art. 12 Abs. 3, 15 DSGVO begründet schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO, denn a. dieser Schadensersatzanspruch setzt eine gegen die DSGVO verstoßende Datenverarbeitung voraus, und b. die zunächst unterbleibende, also verspätete Erteilung einer Datenauskunft ist keine Datenverarbeitung im Sinne der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 2 DSGVO, sondern im Gegenteil eine (vorübergehend) unterbleibende Verarbeitung von Daten.
2. Die unvollständige Datenauskunft löst gleichfalls keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus, denn a. zum einen liegt auch insoweit keine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor, b. zum anderen fehlte es jedenfalls an einer kausalen Herbeiführung eines immateriellen Schadens; dieser begründet sich nämlich auch bei Annahme einer Verarbeitungstätigkeit bei unvollständiger Erteilung einer Datenauskunft nicht aus der erfolgten Datenverarbeitung, sondern aus der noch immer unvollständigen und mithin teilweise weiterhin unterlassenen Datenverarbeitung.
3. Eine den Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründende Datenverarbeitung könnte im Kontext der Auskunftserteilung somit allenfalls bei inhaltlich unzutreffender Datenauskunft begründbar sein.
4. Im Übrigen ist auch beim Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO der immaterielle Schaden - auch wenn es insoweit keine Erheblichkeitsschwelle zu überschreiten gilt - konkret zu begründen. Pauschalbehauptungen zu einem "Kontrollverlust" oder "Angst" und "Frust" reichen nicht aus, vielmehr ist der Schaden für den Prozessgegner einlassungsfähig und für das erkennende Gericht überprüfbar darzulegen.
5. Zieht man die hier beschriebenen Grenzen nicht und lässt bloße Pauschalbehauptungen zu angeblichen immateriellen Schäden zur Begründung von Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO ausreichen, diskreditierte dies geradezu das sinnvolle und notwendige Anliegen des europäischen Gesetzgebers zur Schaffung eines effektiven und verlässlichen Schutzes der persönlichen Daten. Denn dieses dient nicht dem Zweck, bei jeder auch nur geringfügig verspäteten oder nicht sofort vollständigen Datenauskunft massenhaft im Rechtsverkehr Schadensersatzansprüche zu generieren, sondern bezweckt wird der Schutz vor rechtswidriger und missbräuchlicher Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten.
Normenkette
DSGVO Art. 4, 12, 15, 82; BGB § 286; DSGVO Art. 82 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 23.03.2023; Aktenzeichen 3 Ca 44/23) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 23.03.2023 - Az.: 3 Ca 44/23 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung immateriellen Schadensersatzes nach Art. 82 DSGVO.
Der Kläger war vom 01. bis 31.12.2016 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten am Standort Duisburg in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt.
Bereits 2020 erteilte die Beklagte ihm auf seinen Antrag mit Schreiben vom 07.09.2020, wegen dessen Inhalts auf Blatt 155 ff. der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen wird, Auskunft nach Art. 15 DSGVO.
Mit Schreiben vom 01.10.2022 (Blatt 18 der erstinstanzlichen Akte), zugegangen am selben Tage, forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm bis zum 16.10.2022 (erneut) eine Auskunft und Datenkopie auf der Grundlage von Art. 15 DSGVO zu erteilen. Als die Beklagte hierauf nicht reagierte, erinnerte der Kläger mit Schreiben 21.10.2022 (Blatt 21 der erstinstanzlichen Akte), zugegangen am selben Tage, an die gewünschte Auskunft mit weiterer Fristsetzung bis zum 31.10.2022. Mit Schreiben vom 27.10.2022, wegen dessen Inhalts auf Blatt 24 ff. der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen wird, erteilte die Beklagte eine Auskunft und eine Kopie der noch gespeicherten Daten. Mit Schreiben vom 04.11.2022 (Blatt 53 ff. der erstinstanzlichen Akte) wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass die erteilte Auskunft nicht nur verspätet, sondern auch inhaltlich mangelhaft erfolgt sei. Es fehle an konkreten Angaben zur Dauer der Datenspeicherung, die Empfänger der Daten des Klägers seien nicht namhaft gemacht und die Datenkopie sei unvollständig. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens des Klägers wird verwiesen. Mit Schreiben vom 11.11.2022 (Blatt 58 ff. der erstinstanzlichen Akte), zugegangen am selben Tage, bat die Beklagte ihn, sein Auskunftsersuchen zu den Empfängern von Daten zu spezifizieren und die Kategorien anzugeben, für die er die Informationen zu den konkreten Empfängern benötige. Darüber hinaus konkretisierte sie ihre bisherigen Angaben zur Speicherdauer und der Datenkopie. Mit Schreiben vom 18.11.2022, ...