Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung einer Ghetto-Beitragszeit

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer sog. Ghetto-Beitragszeit ist zunächst erforderlich, dass die geltend gemachte Beschäftigung in einem Ghetto glaubhaft gemacht ist. Hat die behauptete entgeltliche Tätigkeit im früheren Entschädigungsverfahren keinerlei Erwähnung gefunden und hat der Versicherte eine solche Beschäftigung zu Beginn des Rentenverfahrens, welches Gegenstand der Klage geworden ist, überhaupt nicht genannt, so reichen die erstmals im Klageverfahren hierzu gemachten Angaben zu der erforderlichen Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.04.2009; Aktenzeichen B 5 R 206/08 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.09.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten im Ghetto Warschau von Oktober 1940 bis Dezember 1941 als Reinigungsarbeiterin nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) hat. Ihr wird bereits Rente unter Berücksichtigung der anschließenden Tätigkeit in einer Schneiderei im Ghetto Warschau ab 01.01.1942 gewährt.

Die am 00.00.0000 in P/Polen geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung und lebt seit 1950 in Palästina bzw. Israel. Sie ist israelische Staatsangehörige. Durch Bescheide des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in Koblenz vom 31.08.1960 und 19.02.1958 wurde sie als Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt und wegen Schadens an Freiheit in der Zeit vom 01.12.1939 bis 17.01.1945 entschädigt.

Mit Schreiben vom 17.10.2002 beantragte die Klägerin über den israelischen Versicherungsträger bei der Beklagten Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Hinweis auf die Vorschriften des ZRBG. In dem Antragsvordruck nannte sie für den Zeitraum von 1940 bis 1943 eine Beschäftigung in der Ausrüstung für Soldatenkleider bei der Firma "Tebenz" im Ghetto Warschau. In dem von ihr unter dem 08.06.2003 unterschriebenen weiteren Rentenantragsvordruck gab sie u. a. an, von Anfang 1940 bis etwa Anfang 1942 im Ghetto Warschau Reinigungsarbeiten verrichtet zu haben und als Entgelt Sachbezüge und Coupons für Lebensmittel erhalten zu haben. Von Anfang 1942 bis Frühling 1943 habe sie im Ghetto Warschau bei der Firma Tebenz Uniformen für die Wehrmacht gefertigt und ebenfalls Sachbezüge und Coupons für Lebensmittel erhalten. Unter dem 29.06.2003 führte sie in der Beantwortung eines Fragebogens ergänzend aus, während der Arbeit seien sie nicht bewacht worden. Die Arbeiten seien freiwillig durch eigene Bemühungen erlangt worden. Und zwar Reinigungsarbeiten und von Anfang 1942 Schneiderarbeiten in der Firma Tebenz bis Frühling 1943. Als Entgelt nannte sie Sachbezüge und zusätzliche Coupons für Lebensmittel. Zeugen seien inzwischen verstorben.

Die Beklagte zog vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die die Klägerin betreffenden Entschädigungsakten bei und nahm Kopien zu ihren Akten. Im Entschädigungsverfahren hatte die Klägerin in einer eigenen von einem israelischen Notar bestätigten Erklärung vom 20.12.1955 angegeben, im November 1940 sei sie mit ihrem Mann und ihren Eltern in das Ghetto Warschau gekommen. Das Ghetto sei mit Mauern und Stacheldraht umgeben und von der jüdischen Polizei bewacht gewesen. Sie habe Zivilkleidung mit Judenstern auf der Armbinde getragen und sei vom Judenrat verpflegt worden. Der Judenälteste habe Czerniakow geheißen. Sie habe bei der Firma "Tebenz" in der Lesznostraße 80 als Näherin von Uniformen für die Wehrmacht gearbeitet. Im April 1943, kurz vor der Liquidierung des Ghettos, sei es ihr gelungen das Ghetto zu verlassen. In einer in der Entschädigungsakte befindlichen eidlichen Zeugenerklärung der H G vom 15.02.1959 hatte diese u. a. ausgeführt, sie kenne die Klägerin noch von vor dem Kriege aus Warschau. Im November 1940 seien sie in das Ghetto Warschau gekommen. Das Ghetto sei mit einer hohen Mauer umgeben gewesen und sei von SS und polnischer Polizei bewacht worden. Gemeinsam hätten sie Zwangsarbeit bei Tebenz verrichtet. In eidlichen Zeugenerklärungen vom 15.12.1955 hatten die Eheleute X und Q M jeweils angegeben, sie hätten die Klägerin bereits vor dem Kriege gekannt. Im November 1940 seien sie in das Ghetto Warschau gekommen. Für sich selbst nannten die Eheleute M als Tätigkeiten jeweils u. a. Straßenkehren. Für die Klägerin nannten die beiden Zeugen jeweils eine Tätigkeit als Näherin bei der Firma Tebenz.

Mit Rentenbescheid vom 27.01.2004 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente ab 01.07.1997 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 79,41 EUR (bezogen auf März 2004) unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten ab 01.01.1942 für die Tätigkeit als Schneiderin bei der Firma Tebenz sowie von Ersatzzeiten. Die Berücksichtigung der Tätigkeit als Reinigungsarbeiterin lehnte die B...

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