Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungswahl. Gültigkeit einer Vorschlagsliste. Ermittlung der Höchstgrenze von 25% der nach § 51 Abs 6 Nr 5 und 6 SGB 4 ausgeschlossenen Unterschriften. Abstellen auf die Gesamtzahl der für die Erfüllung des Quorums entscheidenden Anzahl der Unterstützerunterschriften

 

Orientierungssatz

Bei der Gesamtzahl der Unterzeichner im Sinne von § 48 Abs 3 S 2 SGB 4 ist auf die Gesamtzahl der für die Erfüllung des Quorums in Abs 2 entscheidenden Anzahl der Unterstützerunterschriften und nicht auf die Gesamtzahl der eingereichten Unterstützerunterschriften abzustellen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.09.2015; Aktenzeichen B 1 KR 28/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.10.2012 geändert. Die 2011 in der Gruppe der Versicherten durchgeführte Wahl zum Verwaltungsrat der Beklagten wird für ungültig erklärt. Die Wahl muss wiederholt werden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Wahlausschuss der Beklagten die Vorschlagsliste der Klägerin zur Sozialwahl 2011 zu Recht zurückgewiesen hat.

Die Klägerin ist eine Fachgewerkschaft, in der Beschäftigte und frühere Beschäftigte aller Träger der sozialen Sicherung und ihrer Verbände sowie von Einrichtungen, die mit diesen organisatorisch oder finanziell verbunden sind, gewerkschaftlich organisiert sind (§ 1 Abs. 2 der Satzung der Klägerin). Nach § 1 Abs. 3 ihrer Satzung ist sie Mitglied des dbb beamtenbund und tarifunion.

An den Sozialwahlen 2011 beteiligte sich die Klägerin in der Gruppe der Versicherten bei der Beklagten mit einer Vorschlagsliste, die 1.147 Unterschriften umfasste und von denen 1.086 gültig waren. Der Wahlausschuss der Beklagten wies die Vorschlagsliste, die die Klägerin am 07.01.2011 (letzter Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten) eingereicht hatte, auf einer Sitzung vom 20.01.2011 zurück. Darüber erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 21.01.2011 einen Bescheid unter Bezugnahme auf die Begründung des Wahlausschusses. Die Vorschlagsliste sei nach § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) ungültig, da sie nicht den Anforderungen des § 48 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) entspreche. Zwar erfülle sie das Unterschriftenquorum, jedoch stammten mehr als 25 % der Unterschriften von (aktiv) Beschäftigten der Beklagten. 303 Unterstützerunterschriften stammten nämlich von Mitarbeitern der Beklagten, die gleichzeitig dort versichert und daher nach § 51 Abs. 6 Nr. 5 und 6 SGB IV vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen seien. Diese 303 Unterschriften hätten somit insgesamt 1.212 Unterschriften erforderlich gemacht. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesetzeszweck. Der Mangel der Vorschlagsliste habe auch nicht behoben werden können, da eine Rücknahme der Liste und Neueinreichung sowie eine Nachreichung nicht in Betracht gekommen seien.

Die hiergegen durch die Klägerin mit Schreiben vom 27.01.2011 eingelegte Beschwerde wies der Landeswahlausschuss für die Durchführung der Wahlen in der Sozialversicherung in Nordrhein-Westfalen als Beschwerdewahlausschuss in seiner Sitzung vom 04.02.2011 zurück und erteilte der Klägerin hierüber am 07.02.2011 einen entsprechenden Bescheid. Am 09.02.2011 machte der Wahlausschuss der Beklagten bekannt, dass keine Wahlhandlung stattfinde, da aus der Wählergruppe der Versicherten nur eine Vorschlagsliste, nämlich die gemeinsame Liste der Beigeladenen, zugelassen worden sei. Er stellte zudem fest, dass die in den zugelassenen Vorschlagslisten genannten Bewerber mit Ablauf des 01.06.2011 als zum Mitglied bzw. stellvertretenden Mitglied des Verwaltungsrates der Beklagten gewählt gölten.

Die Klägerin hat hiergegen am 07.03.2011 beim Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben und zugleich um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. In dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Klägerin beantragt, der Beklagten aufzugeben, ihre Vorschlagsliste einstweilen zu den Sozialversicherungswahlen 2011 in der Gruppe der Versicherten zuzulassen und die erforderlichen Vorkehrungen für die Durchführung der Wahlhandlung zu treffen. Dieses Begehren hat das SG durch Beschluss vom 28.03.2011 (S 40 KR 225/11 ER) abgelehnt. Die hiergegen einlegte Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 19.05.2011 (L 16 KR 196/11 B ER) zurück. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung sei die Nichtzulassung der Vorschlagsliste der Antragstellerin durch den bei der Antragsgegnerin gebildeten Wahlausschuss und die Zurückweisung der dagegen gerichteten Beschwerde durch den Landeswahlausschuss (Beschwerdeausschuss) jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig erfolgt.

Im Klageverfahren hat die Klägerin weiterhin die Auffassung vertreten, dass ihre Vorschlagsliste zu Unrecht nicht zur Wahl zug...

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