Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung in Rumänien zurückgelegter Beitragszeiten nach dem Fremdrentenrecht - Kürzung - ungekürzte Anrechnung
Orientierungssatz
1. Nach § 22 Abs. 3 FRG werden nicht nachgewiesene Beitragszeiten um ein Sechstel gekürzt. Eine volle Anrechnung der entsprechenden Fremdrentenzeiten ohne Kürzung um ein Sechstel setzt voraus, dass in den betreffenden Zeiten nachweisbar keine Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung ohne Beitragsentrichtung fallen oder sie nicht ein Sechstel der Zeiten erreichen (BSG Urteil vom 21. 8. 2008, B 13/4 R 25/07 R).
2. Krankheits- oder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit wurde im rumänischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht voll als Beschäftigungszeit anerkannt. Damit kann der Nachweis einer lückenlosen tatsächlichen Beitragsentrichtung mit den Angaben aus dem rumänischen Arbeitsbuch nicht geführt werden.
3. Für Versicherte, für die als Mitglieder einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) pauschal Beiträge abgeführt wurden, ist davon auszugehen, dass eine vollständige Beitragsentrichtung zum Rentenversicherungssystem stattgefunden hat (BSG a. a. O.). Bei einer ununterbrochenen Mitgliedschaft in der LPG gelten Beiträge zur Sozialversicherung als ohne Unterbrechung entrichtet.
Nachgehend
Tenor
Die Klage gegen den Bescheid vom 19.08.2015 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter ungekürzter Anerkennung der vom Kläger in der Zeit vom 03.02.1970 bis zum 19.10.1972 und vom 07.03.1974 bis zum 11.01.1985 in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten.
Der am 00.00.1952 in Rumänien geborene Kläger legte nach dreijährigem Besuch der Berufsschule im Juni 1970 die Prüfung ab und wurde zum qualifizierten Arbeiter im Handwerk Chemie-Fachwerker in der Fabrik für Farbstoffe und Zwischenprodukte erklärt (Diplom vom 00.05.1971). Im Juni 1977 bestand der Kläger die Abiturprüfung nach Besuch der Kurse im Schuljahr 1976/1977 (Zeugnis vom 00.07.1977). Er siedelte am 00.03.1985 aus Rumänien nach Deutschland über und ist im Besitz eines Vertriebenenausweises "A".
Aus der Adeverinta Nr. 00 vom 28.02.1985 gehen folgende Zeiten eines Arbeitseinsatzes hervor:
03.02.1970 - 19.10.1972 Chemie-Fachwerker bei D, D1 25.10.1972 - 12.02.1974 Militärdienst 07.03.1974 - 11.01.1985 Chemie-Fachwerker bei D, D1
Mit Bescheid vom 15.01.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.1990 stellte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz als Rechtsvorgängerin der Beklagten (Beklagte) die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten verbindlich fest. Die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten vom 07.03.1974 bis zum 11.01.1985 erkannte die Beklagte nach § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) zu 6/6 an; die Zeit vom 03.02.1970 bis zum 19.10.1972 erkannte sie zu 5/6 an.
Am 14.11.2006 übersandte der Kläger der Beklagten den Fragebogen "V300 zu Rechtsänderungen ab 01.01.1992 oder zu einem späteren Zeitpunkt" und bat um kurzfristige Erteilung einer Rentenauskunft inklusive Berechnungsanlagen. Der Kläger teilte auf Nachfrage mit, er habe die Prüfung an der Berufsschule bereits im Januar 1970 abgelegt und ab Februar 1970 in Vollzeit gearbeitet; nur das Zeugnis sei aufgrund der politischen Verhältnisse in Rumänien erst im Juni ausgestellt worden.
In der weiteren Adeverinta Nr. 0 vom 21.05.1998 bescheinigte die Firma D dem Kläger eine Tätigkeit als Chemie-Operator/-Arbeiter in den Zeiträumen vom 03.02.1970 bis 19.10.1972 und vom 07.03.1974 bis 11.01.1985 auf Grundlage der Lohnzahlungslisten. Der Sozialversicherungsbeitrag sei für die gesamte Zeitspanne gezahlt worden, 12 Monate im Jahr. Die Arbeitswoche habe 6 Tage, ein Arbeitstag 8 Stunden umfasst. Im Einzelnen wurde folgendes aufgeführt:
|
Jahr |
- Arbeitstage |
- Urlaubstage |
- Krankenurlaub |
1970 |
- 281 |
-./. |
- 3 |
1971 |
- 215 |
- 39 |
- 54 |
1972 |
- 228 |
- 21 |
- |
1973 |
- Militärdienst |
1974 |
- 236 |
- 17 |
-./. |
1975 |
- 290 |
- 21 |
-./. |
1976 |
- 290 |
- 22 |
-./. |
1977 |
- 261 |
- 22 |
- 24 |
1978 |
- 266 |
- 18 |
- 21 |
1979 |
- 267 |
- 28 |
-./. |
1980 |
- 268 |
- 23 |
- 6 |
1981 |
- 273 |
- 24 |
-./. |
1982 |
- 273 |
- 24 |
-./. |
1983 |
- 274 |
- 24 |
-./. |
1984 |
- 239 |
- 25 |
- 32 |
1985 |
- 7 |
-./. -./. |
Die weiteren Spalten für unbezahlten Urlaub, Dienstbefreiungen und unentschuldigte Fehlzeiten enthielten keine Eintragungen.
Mit Bescheiden vom 19.03.2007, 31.07.2007 und 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2008 berücksichtigte die Beklagte unter anderem die Zeiten vom 03.02.1970 bis 19.10.1972 und vom 07.03.1974 bis 11.01.1985 zu 5/6 mit der Begründung, dass ein Nachweis der Beitragszeiten nicht erbracht sei. Die Arbeitsbescheinigung Nr. 0 vom 21.05.1998 sei nicht geeignet, einen Nachweis der Beitragsentrichtung zu erbringen, da sie im Jahr 1985 nur sieben Arbeitstage bescheinige, obwohl 10 Arbeitstage möglich gewes...