Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Kosten des Umgangsrechts. Flugkosten des Kindsvaters. Regelleistung. kein unabweisbarer Bedarf. Verfassungsmäßigkeit. Hilfe in sonstigen Lebenslagen
Orientierungssatz
1. Reisekosten des Hilfebedürftigen zur Wahrung des Umgangsrechts mit seinem getrenntlebenden minderjährigen Kind sind mit der Regelleistung gem § 20 Abs 1 SGB 2 abgegolten (vgl LSG Celle-Bremen vom 28.5.2005 - L 8 AS 57/05 ER = FEVS 56, 503 und LSG Berlin-Potsdam vom 12.5.2006 - L 25 B 238/06 AS PKH).
2. Zum Nichtvorliegen eines Anspruch auf darlehensweise Übernahme der Reisekosten als unabweisbarer Bedarf gem § 23 Abs 1 SGB 2 unter Berücksichtigung des staatlichen Schutzauftrags des Staates aus Art 6 GG.
3. Für einen Anspruch auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB 12 für die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den getrenntlebenden minderjährigen Kindern ist das Bestehen einer atypischen Bedarfslage erforderlich (Anschluss an BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1); diese liegt jedoch nicht vor, wenn der Umgangsberechtigte bisher nie mit seinen Kindern zusammen gelebt hat, also das Getrenntleben gerade die typische Situation darstellt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.11.2006 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine auf die Übernahme der Kosten in Höhe von 500 Euro für einen Flug nach L , 69,00 Euro "Kommunikationspauschale" für Geschenke an die Kinder, sexuelle Spesen und "Venusgeld", eine monatliche Telefonpauschale von 69,00 Euro und die Übernahme der Kosten für ein Visum i. H. v. 40,00 Euro gerichteten Begehren weiter.
Der Kläger lebt in Deutschland allein und erhält seit dem 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Neben den Kosten der Unterkunft und Heizung bezieht er monatlich 345,00 Euro Regelleistung.
Nach seinen Angaben in den Anträgen auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen ist er mit der auf L lebenden N Q verheiratet. Der Kläger legte in Kopie eine dies bestätigende l-sche Heiratsurkunde vor, die als Datum der Eheschließung den 00.00.1999 angibt. In gleicher Form legte er eine Urkunde über die Geburt des gemeinsamen Kindes P F (00.00.2000) vor. Für seine Tochter N lägen noch keine Papiere vor, da er seit deren Geburt (00.00.2005) noch nicht in L gewesen sei. Seine Ehefrau und die Kinder lebten seit der Eheschließung bzw. seit ihrer Geburt auf L.
Seinen Antrag auf Übernahme der Flugkosten nach L, einer Kommunikationspauschale sowie der Kosten für Geschenke an seine Kinder lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.06.2006 ab, weil die beantragten Leistungen von der Regelleistung umfasst seien und kein unabweisbarer Betrag im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II vorliege. Hiergegen legte der Kläger am 07.07.2006 Widerspruch ein. Der Bescheid missachte den Schutz der Familie durch das Grundgesetz (GG). Es seien ihm 569,00 Euro für den Familienflug zu gewähren.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2007 zurück, weil die geltend gemachten Kosten (Flug und Kommunikationspauschale) unter die in der Regelleistung enthaltenen Bedarfe "Beziehungen zur Umwelt" und "Teilhabe am kulturellen Leben" fielen. Soweit der Kläger meine, zur Deckung dieses Bedarfs sei eine Reise nach L erforderlich, müsse er die Kosten hierfür ansparen. Es gehöre im Übrigen nicht zu den herrschenden Lebensgewohnheiten der Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen, die seit Jahren von den Partnern getrennt lebenden und in Übersee wohnenden Ehepartner zu besuchen. Die Kosten gehörten auch nicht zu den in den §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II abschließend aufgezählten Bedarfen und stellten zudem keinen unabweisbaren Bedarf dar.
Mit seiner hiergegen am 17.07.2006 erhobenen Klage hat der Kläger gemeint, es bestehe ein Anspruch auf die Ausübung des Umgangsrechts mit seinen Kindern. Seine Familie habe er zuletzt im Dezember 2004 besucht. Zu ihr halte er per Handy Kontakt, worauf er seinen nunmehr geltend gemachten Anspruch auf 69,00 Euro Telefonpauschale gestützt hat. Ferner müsse die Beklagte 40,00 Euro Kosten für das Visum übernehmen.
Mit Urteil vom 22.11.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Telefonpauschale und der Kosten für das Visum sei die Klage unzulässig, weil der Kläger das Vorverfahren nicht durchlaufen habe. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage für unbegründet gehalten. Die 69,00 Euro Kommunikationspauschale seien Bestandteil der Regelleistung und auch nicht nach § 23 Abs. 1 SGB II darlehensweise zu erbringen. Dem Kläger stehe es frei, die benötigten Beträge aus der Regelleistung anzusparen und dann für die von ihm beabsichtigten Zwecke zu verwenden. Die begehrte Leistung unterfalle auch nicht den §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II. Ein Anspruch auf Übernahme der Flugkosten gegen die Beklagte bestehe ebenfalls nicht. Allenfalls könne ein Anspr...