Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Zweipersonenhaushalt in Minden in Nordrhein-Westfalen. schlüssiges Konzept des Sozialhilfeträgers. Einkommenseinsatz. den eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigendes Einkommen des nicht getrennt lebenden Ehegatten. zu berücksichtigender Unterkunftsbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten ("schlüssiges Konzept" iS der Rechtsprechung des BSG), insbes zur Nachfragekonkurrenz bei preisgünstigem Wohnraum (betr Stadt Minden).
2. Bei einer Einstandsgemeinschaft, bei der ein Ehepartner Leistungen nach dem SGB XII bezieht, der andere seinen Bedarf vollständig aus eigenem Einkommen decken kann, sind bei der Ermittlung des Einkommensüberschusses des nicht selbst bedürftigen Partners als dessen Kosten der Unterkunft nur die sozialhilferechtlich angemessenen und nicht dessen tatsächliche anteilige Unterkunftskosten als eigener Bedarf in Ansatz zu bringen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.03.2018 geändert.
Die Klage wird abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Höhe der Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den Monat Juni 2016. Insoweit ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob die Beklagte bei der Leistungsberechnung hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (KdU) der Klägerin zu Recht von der Bruttokaltmiete der Klägerin und ihres Ehemannes (494,93 EUR) einen Betrag von 76,98 EUR unberücksichtigt gelassen hat, weil die KdU in dieser Höhe unangemessen seien.
Die 1972 geborene Klägerin ist mit dem 1970 geborenen U H (ehemals Kläger zu 2) verheiratet. Beide Eheleute sind schwerbehindert. Der Klägerin wurde aufgrund eines Epilepsie-Leidens ein GdB von 50 zuerkannt, dem Ehemann aufgrund einer Intelligenzminderung ein GdB von 90. Nennenswertes Vermögen hatten und haben die Eheleute nicht. Im Juni 2016 bezog die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. (netto) 254,05 EUR. Ihr Ehemann bezog in diesem Monat eine solche Rente i.H.v. (netto) 637,94 EUR; daneben erzielte er für seine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) Einkommen von (brutto) 325,00 EUR (einschließlich Arbeitsförderungsgeld von 6,40 EUR); hiervon wurden 1,45 EUR Pflegeversicherungsbeitrag abgezogen und 323,55 EUR als Nettoverdienst ausgezahlt.
Zum 01.04.2010 bezogen die Eheleute ihre jetzige Wohnung in der M-Straße 7 in Minden (74,6 m² Wohnfläche). Im Juni 2016 belief sich die Warmmiete auf 564,93 EUR (Grundmiete 394,93 EUR, Vorauszahlung Betriebskosten 135,00 EUR, Vorauszahlung Heizkosten 55,00 EUR).
Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit September 2011 ergänzende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII; zuvor bezog sie Leistungen nach dem SGB II. Ihr Ehemann bezieht keine Leistungen nach dem SGB XII, da er seinen Bedarf aus Rente und Einkommen selbst decken kann.
Mit Bescheid vom 27.08.2015 in Fassung des Änderungsbescheides vom 28.10.2015, des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2015 und des Änderungsbescheides vom 21.12.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen für die Zeit von September 2015 bis August 2016. Nach Klageerhebung folgten zunächst noch Änderungsbescheide vom 27.01.2016, vom 26.02.2016 sowie (im Erörterungstermin des Senats am 19.05.2021 noch übersehen) vom 27.04.2016. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bescheide Bezug genommen. Für Juni 2016 belief sich die der Klägerin bewilligte Leistung ausweislich des letzten Änderungsbescheides (vom 27.04.2016) auf 154,92 EUR. Bei der Berechnung berücksichtigte die Beklagte bei beiden Eheleuten jeweils den Regelsatz (364,00 EUR), einen Mehrbedarf für Warmwasser (8,37 EUR) und einen KdU-Anteil 236,00 EUR; in der Summe bestehe jeweils ein Bedarf von 608,37 EUR. Von tatsächlicher Miete (359,93 EUR), Nebenkosten (135,00 EUR) und Heizkosten (55,00 EUR) seien 77,93 EUR wegen Unangemessenheit der KdU abzusetzen; berücksichtigungsfähig seien deshalb KdU i.H.v. 472,00 EUR (je Ehepartner 236,00 EUR). Für die Bemessung richtete sich die Beklagte nach einem von ihr in Auftrag gegebenen "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft", erstellt durch die Analyse Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH (im Folgenden: A & K. Der Bericht - Stand April 2016 - ist abrufbar unter https://www.minden-luebbecke.de/media/custom/1891_3670_1.PDF?1462271862). Die Beklagte rechnete das Renteneinkommen der Klägerin von (254,05 EUR) abzüglich "Beiträge zu Versicherungen" (6,67 EUR) i.H.v. 247,38 EUR an. Vom Einkommen des Ehemannes (325,00 EUR Werkstattbruttoeinkommen und 637,94 EUR Rente) brachte sie "Beiträge zu Versicherungen"...