Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Sozialgericht wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels
Orientierungssatz
1. Das Urteil des Sozialgerichts kann aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen werden, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet.
2. Das sozialgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn es Ermittlungen unterlässt, zu denen es sich gedrängt fühlen musste. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt auch dann vor, wenn das Gericht den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, indem es gegen Denkgesetze verstoßen hat.
3. Auch ein Verstoß gegen § 109 SGG stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Nur dann, wenn mit einem Hinweis zu § 109 SGG eine richterliche Frist gesetzt worden ist, berechtigt deren Überschreitung die Zurückverweisung eines Antrags nach § 109 SGG. Als angemessene Frist gilt im Regelfall ein Monat.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.10.2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Gelsenkirchen zurück verwiesen. Das Sozialgericht wird im Rahmen seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens zu entscheiden haben. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1963 geborene Kläger wurde im August 1979 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt und kehrte zum 31.03.1996 ab.
Auf einen Antrag vom November 1995 lehnte die Beklagte ab, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, gewährte indes Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 1.4.1996. Später gewährte sie Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit bis zum 30.11.2000 (Bescheid vom 12.11.1999), und ab dem 1.12.2000 wieder Rente für Bergleute auf Dauer (Bescheid vom 22.11.2000). Dem jetzigen Verfahren liegt ein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Juni 2004 zugrunde.
Internist H1 P, Sozialmedizinischer Dienst (SMD) H, hielt den Kläger noch für in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit nur gelegentlicher Zwangshaltung und nur gelegentlicher Bück-/Hebe- und Tragebeanspruchung bis 20 kg im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, außerhalb von Gerüsten und Leitern, außerhalb von Hitze, Kälte und Nässe zu bewältigen. Auch für Arbeiten im Bergbau bestehe noch vollschichtiges Leistungsvermögen (Gutachten vom 26.10.2005). Die Beklagte lehnte ab, Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren (Bescheid vom 07.11.2005). Im Widerspruchsverfahren bescheinigte Nervenarzt Dr. S aus H1 dem Kläger, dass seine Erkrankungen "Polyneuropathie unklarer Genese, leichtes organisches Psychosyndrom, mittelgradige depressive Episode und Verdacht auf organische wahnhafte Störung" bei der bisherigen Beurteilung in keiner Weise berücksichtigt worden seien (Bescheinigung vom 18.01.2006). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 14.02.2006).
Dagegen hat der Kläger noch im Februar 2006 Klage erhoben und darauf aufmerksam gemacht, dass seine psychischen Erkrankungen nicht berücksichtigt worden seien.
Er hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2006 zu verurteilen, bei ihm ab 01.06.2004 einen Zustand von voller Erwerbsminderung anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie hilfsweise gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Frau Dr. N einzuholen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
Das Sozialgericht (SG) hat die behandelnden Ärzte des Klägers befragt: Internist Dr. C aus H1 hat ausgeführt, medizinischerseits bestünden keine Bedenken gegen eine 6-stündige leichte Erwerbstätigkeit (Bericht vom 12.05.2006). Arzt für Allgemeinmedizin Dr. I aus H1 hat die Frage, ob der Kläger noch 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne, bejaht, indes Gründe dafür nicht angegeben (Bericht vom 17.05.2006). Internist Dr. B aus H1 hat mitgeteilt, er könne die Frage nach der Erwerbsfähigkeit nicht beantworten (Bericht vom 17.05.2005). Behandelnder Orthopäde Dr. F aus H1 hat sich dahingehend geäußert, dass der Kläger aus orthopädischer Sicht noch mehr als 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine Einschränkung bestehe eher auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet (Bericht vom 05.06.2006).
Das SG hat dazu den Kläger mit Verfügung vom 08.06.2006 um Stellungnahme bis zum 07.07.2006 gebeten, mit welcher Begründung das Verfahren fortgeführt werden solle. Daraufhin hat dieser am 14.06.2006 auf die Äußerung des Dr. F hingewiesen und angeregt, den behandelnden Nervenarzt Dr. S zu befragen. Mit Verfügung vom gleichen Tage hat der Kammervorsitzende ihn darauf hingewiesen, dass Dr. S - gerichtsbekannt - erkrankt sei und zur Zeit keine Befundberichte erstatten könne. Im Übrigen werde die Beurteilung von ...