Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Unternehmer. Deutschland. Zwangsmitgliedschaft. Europarechtskonformität. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Zwangsmitgliedschaft zur gesetzlichen Unfallversicherung gemäß §§ 150ff SGB 7 verstößt weder gegen europäisches Gemeinschaftsrecht noch gegen das Grundgesetz (vgl BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R = SozR 4-2700 § 150).
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin befasst sich seit dem 01.04.1990 mit Arbeiten im Maler- und Restaurationshandwerk. Mit Aufnahmebescheid vom 09.07.1990 ist ihr Unternehmen in das Verzeichnis der Beklagten aufgenommen worden.
Im Oktober 2003 beantragte sie, sie mit Wirkung zum 01.01.2004 aus der Zwangsmitgliedschaft der Berufsgenossenschaft zu entlassen mit der Begründung, der Versicherungsschutz für die in ihrem Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sei auf privatwirtschaftlicher Basis wesentlich kostengünstiger möglich, die hoheitlichen Funktionen des technischen Aufsichtsdienstes würden durch die staatlichen Ämter für Arbeitsschutz wahrgenommen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 08.12.2003 die Rücknahme des Aufnahmebescheides vom 09.07.1990 nach § 44 Abs. 2 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X) mit der Begründung ab, der Aufnahmebescheid sei nicht rechtswidrig. Nach § 121 Abs. 1 des 7. Buches des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) bestehe eine Zwangszugehörigkeit des Unternehmens zur gesetzlichen Unfallversicherung. Es liege nicht in der freien Entscheidung des Unternehmers, die Versicherung der Beschäftigten bei privatrechtlichen Versicherungsträgern vorzunehmen.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe ihren Bescheid zu Unrecht nach § 44 Abs. 2 SGB X gestützt, ihr Begehren sei vielmehr nach § 48 Abs. 1 SGB X zu beurteilen, weil es sich um ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handele. Es sei sowohl eine Änderung in den tatsächlichen als auch in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten. Die Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs und die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Beachtung der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft (EGVtr). Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2004 mit der Begründung zurück, das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R - die Vereinbarkeit der Zwangszugehörigkeit zur Unfallversicherung mit dem Recht der europäischen Union bestätigt.
Mit der Klage zum Sozialgericht Detmold hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaften verletzte die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49, 50 EGVtr. Die Tätigkeit der Berufsgenossenschaften sei als unternehmerische Tätigkeit zu bewerten und unterliege damit den Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts in den Artikeln 81 ff EGVtr und zwar auch dann, wenn man die Kriterien des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vereinbarkeit der italienischen Unfallversicherung im Urteil vom 22.01.2002 - Rs. C-218/00 - zugrunde lege. Das Bundessozialgericht habe die Pflicht gehabt, diese Rechtsfrage dem EuGH vorzulegen.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 02.01.2006 die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung hat die Klägerin im wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruch- und dem Klageverfahren wiederholt.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2004 zu verpflichten, den Aufnahmebescheid vom 09.07.1990 für die Zeit ab 01.01.2004 zurückzunehmen.
Die Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf die Streitakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Aufnahmebescheid vom 09.07.1990 ist bestandskräftig geworden und damit nach § 77 des Sozialgerichtgerichtsgesetzes (SGG) für die Beteiligten in der Sache bindend. Die Klägerin kann weder nach § 44 noch nach § 48 SGB X die Rücknahme bzw. Aufhebung dieses bindenden Verwaltungsaktes beanspruchen. Der Aufnahmebescheid war nämlich weder zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig (§ 44 SGB X) noch ist er dies durch eine Änderung der Sach- oder Rechtslage geworden (§ 48 SGB X).
Nach § 643 der zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufnahmebescheides noch in Kraft befindlichen Reichsversicherungsordnung (RVO) umfasste die allgemeine Unfallvers...