Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer zulässigen Aufrechnung des Erstattungsanspruchs der Krankenkasse mit dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses - Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Für eine nach § 387 BGB wirksame Aufrechnung mit einer Erstattungsforderung der Krankenkasse gegen einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses kommt es entscheidend darauf an, ob die Gegenforderung der Krankenkasse im Zeitpunkt der Aufrechnung fällig und durchsetzbar ist.

2. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat. Fehlt es an der Notwendigkeit i. S. von § 39 Abs. 1 SGB 5 einer vollstationären Behandlung des Versicherten, so kann das Krankenhaus gegenüber der Krankenkasse keine Vergütung beanspruchen.

3. Maßnahmen der Unterbindung, Excision und Stripping von Varizen i. S. von OPS 5 - 385.70 sind grundsätzlich ambulant zu erbringen. In einem solchen Fall ist ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei durchgeführter stationärer Behandlung ausgeschlossen.

4. Mangels eines bestehenden Vergütungsanspruchs des Krankenhauses ist in einem solchen Fall der Erstattungsforderung der Krankenkasse stattzugeben.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.09.2021; Aktenzeichen B 1 KR 99/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.09.2018 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verrechnung einer Vergütungsforderung der Klägerin aus unstreitigen Behandlungsfällen mit einer (angeblichen) Erstattungsforderung der Beklagten. Ferner verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,- Euro.

Bei der am 00.00.1950 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten B U (im Folgenden: Versicherte) bestand eine Krampfadererkrankung des linken Beines - chronische Insuffizienz der Vena saphena magna (Stadium Hach IV), Seitenastvaricosis sowie Perforansinsuffizienz -. Ferner lag bei der Versicherten eine Adipositas (BMI: 32 kg/qm), ein arterieller Hypertonus, Stressinkontinenz, Refluxkrankheit sowie ein Zustand nach tiefer Venenthrombose rechts vor 12 Jahren, vor. Am 28.04.2015 erfolgte die Patientenaufklärung zu einer geplanten operativen Behandlung der Krampfadererkrankung im Krankenhaus der Klägerin. Hier wurde dann vom 04. bis 05.05.2015 die stationäre Behandlung (Crossektomie und Stripping der Vena saphena magna mit anschließender Einlage einer Redondrainage) durchgeführt. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür unter dem 08.05.2015 1.726,15 Euro in Rechnung, die diese beglich. Sodann veranlasste die Beklagte eine Überprüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK). Dr. E, MDK, gelangte unter dem 22.05.2015 in ihrer Stellungnahme zu der Beurteilung, dass die Versicherte bei fehlender engmaschiger Funktionskontrolle der Redondrainage (fehlende Nachblutungszeichen) ambulant hätte operiert werden können. Patientenseitige Faktoren für das Erfordernis stationärer Behandlung seien nicht dargelegt. Deshalb sei eine akute stationäre Behandlungsbedürftigkeit oder eine besondere Fallschwere, die eine Behandlung ausschließlich mit den Mitteln des Krankenhauses erforderlich gemacht hätten, nicht erkennbar.

Mit Schreiben vom 28.05.2015 rechnete die Beklagte gegen unstreitige Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen, die in dem beigefügten Zahlungsavis im Einzelnen bezeichnet waren, mit dem ihrer Auffassung nach bestehenden Erstattungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten in Höhe von 1.726,15 Euro auf.

Die Klägerin hat am 04.12.2015 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass die Aufrechnung der Beklagten zu Unrecht erfolgt sei, denn ein Erstattungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten stehe der Beklagten nicht zu. Die Beklagte habe außerdem die Aufwandspauschale in Höhe von 300,- Euro zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 1.726,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 28.05.2015 sowie von weiteren 300,-Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 04.12.2015 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet: Die Aufrechnung sei zu Recht erfolgt. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten in Höhe von 1.726,15 Euro zu. Die Operation der Versicherten sei komplikationslos verlaufen. In der Redondrainage habe sich keine Flüssigkeit gesammelt. Schwerwiegende Nebenerkrankungen hätten ebenfalls nicht bestanden, so dass die Operation hätte ambulant durchgeführt werden können.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach Aktenlage von dem Chefarzt Dr. Q, Klinik für Gefäß- und Endovaskuläre Chirurgie, F-Krankenhaus, I, eingeholt. Weg...

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