Entscheidungsstichwort (Thema)
keine Anrechnung des schwerbehinderten Gesellschafters einer GbR auf Pflichtplatz für Schwerbehinderte. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. § 9 Abs 3 SchwbG ist nicht dahingehend auszulegen, daß schwerbehinderte Organe/gesetzliche Vertreter von juristischen Personen/Personengesamtheiten auf Pflichtplätze anzurechnen sind.
2. Arbeitgeber iS von § 9 Abs 3 SchwbG sind nur natürliche Personen - Einzelunternehmer - (vgl BSG vom 30.9.1992 - 11 RAr 79/91 = SozR 3-3870 § 9 Nr 2). Personengesamtheiten - wie eine GbR - zählen dagegen nicht zu den Arbeitgebern iS der vorgenannten Vorschrift.
3. § 9 Abs 3 SchwbG ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art 3 Abs 1 GG.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der schwerbehinderte Mitgesellschafter der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR) K-H D auf einen Pflichtplatz nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) angerechnet werden kann.
Am 16.01.1998 reichte die GbR bei dem Arbeitsamt ein Verzeichnis gemäß § 13 Abs. 1 SchwbG über die beschäftigten Schwerbehinderten, Gleichgestellte und sonstigen anrechnungsfähigen Personen für das Anzeigejahr 1997 ein. Dabei wurde die Zahl der Beschäftigten ohne Auszubildende mit 15 bis 18 angegeben und der schwerbehinderte Mitgesellschafter K-H D als anrechenbarer Schwerbehinderter genannt. Nach einer Auskunft der Stadt M -- Ordnungsamt -- sind Gesellschafter der GbR die Herren H D, K-H D und G-G D.
Mit Bescheid vom 08.04.1998 teilte die Beklagte der GbR mit, die Firma stelle als Arbeitgeber eine juristische Person des Handelsrechts dar. Schwerbehinderte vertretungsberechtigte Organmitglieder -- Gesellschafter dieser Gesellschaft -- seien nicht auf einen Pflichtplatz gemäß § 9 SchwbG anrechenbar. K-H D sei Gesellschafter dieser Firma. Daß er eine natürliche Person sei, bleibe außer Betracht. Gemäß § 11 SchwbG sei dementsprechend eine Ausgleichsabgabe an den Wirtschaftsverband Westfalen-Lippe umgehend abzuführen.
Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch wurde ausgeführt, eine GbR sei keine juristische Person. Die Inhaber seien keine vertretungsberechtigten Organmitglieder. K-H D sei als selbständiger Arbeitgeber eine natürliche Person. Er stehe, wie alle Arbeitgeber, in keinem weisungsgebundenen Beschäftigungsverhältnis. Er sei auch kein Gehaltsempfänger.
Der Widerspruchsausschuß nach § 42 SchwbG beim Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.1998 unter anderem mit folgender Begründung zurück: § 9 Abs. 3 SchwbG sehe zwar die Anrechnung eines schwerbehinderten Arbeitgebers auf einen Pflichtplatz vor. Aber auch insoweit sei vorliegend eine Anrechnung des in der Anzeige aufgeführten Schwerbehinderten nicht möglich, weil diese Vorschrift nur auf Arbeitgeber als natürliche Person anzuwenden sei. Vorliegend sei aber die GbR, also eine Personengesamtheit, als Arbeitgeber anzusehen, so daß ein einzelner Gesellschafter dieser Personengesamtheit nicht als Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes angesehen werden könne.
Die GbR hat am 02.12.1998 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben und vorgetragen: K-H D sei zu 60 % schwerbehindert. Die Mitglieder der GbR seien als natürliche Personen zu behandeln, so daß eine Anrechnung gemäß § 9 Abs. 3 SchwbG zu erfolgen habe. Die GbR könne nicht mit einer juristischen Person gleichgesetzt werden. Besonderheit der GbR sei nämlich, daß diese Gesellschaft keine eigenständige juristische Person, ausgestattet mit eigenen Rechten und Pflichten, darstelle. Vielmehr handele der einzelne Gesellschafter im Zusammenschluß mit den anderen Gesellschaftern als natürliche Person. Die GbR stelle lediglich eine Verbindung von natürlichen Personen zu einem gemeinsamen Zweck dar. Anders als bei den juristischen Personen werde jedoch kein neues Rechtssubjekt durch die Begründung einer GbR geschaffen. Es bestehe durch die Bildung des Gesamthandsvermögens lediglich eine enge Verbindung zwischen den Gesellschaftern. Die GbR sei als Personengesamtheit für sich betrachtet überhaupt nicht rechtsfähig. Arbeitgeber allein seien die einzelnen Gesellschafter als natürliche Personen. Entsprechend sei auch bei der Beurteilung der Frage, ob das SchwbG eingreife, auf den einzelnen Gesellschafter abzustellen, nicht aber auf die Personengesamtheit. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) liege vor, wenn solchen Arbeitgebern, die als natürliche Personen handeln und etwa einem Einzelhandelskaufmann oder Firmeninhaber völlig gleichstehen, von der Anrechnungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 3 SchwbG ausgenommen würden.
Die Kläger haben beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.1998 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten: Aus § 9 Abs. 1 Satz 1 SchwbG folge zunächst, daß schwerbehinderte Arbeitgeber grundsätzlich überhaupt nicht angerechnet werden dürften, denn sie seien nicht auf...