Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Anwendungsbereich der Prüfverfahrensvereinbarung nach § 17c Abs 2 KHG (juris: PrüfvVbg). keine materielle Ausschlussfrist hinsichtlich Übersendung von Krankenakten an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)

 

Orientierungssatz

1. Der Anwendungsbereich der PrüfvVbg ist jedenfalls dann eröffnet, wenn die Prüfung erfolgt, um allein die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen, etwa die medizinische Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung (Auffälligkeitsprüfung).

2. Die Regelungen des § 7 Abs 2 S 3 und 4 PrüfvVbg idF vom 18.7.2014 beinhalten keine materielle Ausschlussfrist hinsichtlich der Übersendung von Krankenakten an den MDK. Dies ergibt sich vorrangig aus dem Wortlaut der Vorschrift und systematischen Überlegungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.11.2021; Aktenzeichen B 1 KR 43/20 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.05.2016 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die stationäre Behandlung des Q L einen Betrag von weiteren 401.714,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 208.843,65 Euro ab dem 30.04.2015, aus 167.179,57 Euro ab dem 02.05.2015 und aus 25.771,42 Euro seit dem 03.05.2015 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 403.670,33 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Der bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte, 1965 geborene Q L (Versicherter) wurde in dem von der Klägerin betriebenen Klinikum im Zeitraum vom 08.02.2015 bis 26.03.2015 nach intensivstationärer Übernahme stationär behandelt.

Die Beklagte berechnete dafür mit Rechnung vom 14.04.2015 218.641,57 Euro, mit Rechnung vom 16.04.2015 167.159,57 Euro sowie mit Rechnung vom 17.04.2015 25.771,42 Euro. Die Aufteilung auf drei Rechnungen erfolgte aus technischen Gründen, da im Datenträgeraustauschverfahren nach § 301 SGB V pro Datenlauf nur eine bestimmte Anzahl an Daten übertragen werden kann. Der Umfang des Zusatzentgeltes ZE15-97c überschritt diese Anzahl.

Die Beklagte zahlte auf die Rechnung vom 14.04.2015 einen Teilbetrag von 7.922,23 Euro und beauftragte ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Mit Schreiben vom 23.04.2015 erbat der SMD unmittelbar bei der Klägerin (per Telefax) unter Anzeige des Prüfverfahrens die Übersendung im Einzelnen aufgezählter Unterlagen. Er wies darauf hin, dass bei Ausbleiben einer Antwort innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der (mit Wirkung zum 01.09.2014 in Kraft getretenen) Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2014) der Vorgang zur dortigen Entlastung der Verwaltung zurückgegeben werde. Die Prüfung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 23.04.2015 unter Hinweis auf eine beabsichtigte Vollprüfung betreffend Hauptdiagnose, Fehlbelegung sowie der Zusatzentgelte und nachfolgend mit weiteren Schreiben vom 24.04.2015 und vom 27.04.2015, letztere jeweils Bezug nehmend auf das erstere Schreiben, angezeigt.

Die Übersendung der erbetenen Unterlagen erfolgte mit Schreiben vom 20.05.2015; ausweislich des Eingangsstempels des SMD T gingen die Unterlagen dort am 28.05.2015 ein. Der SMD teilte der Beklagten daraufhin mit, die Behandlungsunterlagen seien außerhalb der 4-Wochen-Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der PrüfvV 2014 eingegangen. Die Beklagte verweigerte sodann unter Hinweis auf das Fristversäumnis weitere Zahlungen.

Die Klägerin hat am 25.08.2015 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat den Zugang der Unterlagen beim SMD erst am 28.05.2015 mit Nichtwissen bestritten. Es sei von einem Zugang spätestens am 23.05.2015 auszugehen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten würden. Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG dürften ihr nicht zugerechnet werden. Ausweislich der Prüfanzeige habe es sich zudem um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts finde auf solche Prüfungen § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V keine Anwendung. Selbst wenn man die Anwendbarkeit der PrüfvV unterstelle, enthalte § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 keine Ausschlussfrist. Eine solche definiere diese Norm nicht, weil eine § 6 Abs. 2 PrüfvV 2014 und § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 entsprechende Regelung fehle. Außerdem sei § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV nicht als Muss-Regelung formuliert (anders etwa in § 4 Satz 2 PrüfvV 2014). Organisatorische Probleme hinsichtlich der zeitnahen Übersendung und generelle Probleme der Postzustellung sprächen dagegen, dass ein Krankenhaus seinen Anspruch mit Fristablauf verlieren könne. Dies sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie...

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