Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. sonstige Leistung. Erstattung von Passbeschaffungskosten. Ermessen. zwischenzeitliche Bedarfsdeckung durch Dritte. Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung des Sozialhilfeträgers
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG stellt im Hinblick auf die pauschalierten und abgesenkten Leistungen der §§ 3, 4 AsylbLG eine Auffang- und Öffnungsklausel dar.
2. Passbeschaffungskosten sind in voller Höhe zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht iS des § 6 Abs 1 S 1 Alt 4 AsylbLG erforderlich.
3. Hinsichtlich des Erschließungsermessens ist in den Fällen des § 6 Abs 1 S 1 AsylbLG eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen.
4. Der Mangel an finanziellen Ressourcen lässt die Zumutbarkeit der Erlangung von Ausweispapieren iS von § 48 Abs 2 AufenthG 2004 nicht entfallen. Auch steht der Zumutbarkeit nicht entgegen, dass die Anerkennung als Asylberechtigter gefährdet sein könnte.
5. Die Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG reicht ersichtlich nicht aus, die Passbeschaffungskosten unmittelbar zu befriedigen oder notwendige Beträge anzusparen. Bedienen sich Grundleistungsbezieher - in Anbetracht des drohenden Ungültigwerdens von Staatsangehörigkeitsnachweisen und weiterer Umstände - der Hilfe Dritter für die Finanzierung der Passbeschaffungskosten (hier: Darlehen), so steht die bereits erfolgte Bedarfsdeckung einer Übernahme der Kosten nach § 6 AsylbLG wegen Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung des Sozialhilfeträgers nicht entgegen.
6. Von dem Grundsatz, dass Leistungen durch den Sozialhilfeträger nicht zu erbringen sind für bereits erbrachte Aufwendungen oder die Tilgung von Schulden, kann somit ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es dem Asylbewerber nicht zumutbar war, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten. Dies gilt um des Grundsatzes der Effektivität des Rechtsschutzes auch bei Einlegung von Rechtsmitteln.
7. Es spricht vieles dafür, den Anspruch auf Erstattung der Passersatzkosten bereits deshalb zu bejahen, weil der Asylbewerber Passpapiere auch benötigt, um von der Bleiberechtsregelung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) (Beschluss zu TOP 6 vom 17.11.2006) profitieren zu können. Auch insoweit liegt es nahe, eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte den Klägern bereits verauslagte Kosten für die Beschaffung von Pässen zu erstatten hat.
Die Kläger sind serbisch-montenegrinische Staatsangehörige. Sie reisten am 25.07.1993 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein am 03.08.1993 gestellter Asylantrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 02.01.1997 abgelehnt. Seit April 1997 erhielten die Kläger zunächst sog. Duldungen. Ausweisersatzpapiere wurden ausgestellt. Aktuell sind sie im Besitz befristeter Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die im Übrigen vermögens- und einkommenslosen Kläger standen fortlaufend im Leistungsbezug nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Mit Schreiben vom 14.03.2006 beantragten die Kläger die Übernahme bzw. Erstattung von Passbeschaffungskosten gemäß § 6 AsylbLG bzw. § 2 AsylbLG i.V.m. den Vorschriften des Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII). Zur Begründung gaben sie an, sie bemühten sich um Pässe des Staates Serbien und Montenegro. Staatsangehörigkeitsnachweise lägen vor. Nunmehr erfolge die Beantragung der Pässe beim Generalkonsulat in Düsseldorf. Es entstünden voraussichtlich Passkosten von 188 EUR pro Antragsteller; ggf. sei der Pass der vierzehnjährigen Klägerin zu 4) etwas kostengünstiger. Die Kläger verwiesen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 28.06.2005 (13 K 2649/04).
Mit Bescheid vom 10.04.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger ab. Die Voraussetzungen einer Kostenübernahme gemäß § 6 S. 1 AsylbLG lägen nicht vor. Unter den in dieser Vorschrift aufgeführten verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten seien lediglich solche Mitwirkungspflichten zu verstehen, die im Zusammenhang mit der Sicherstellung des Aufenthaltes stünden. Die Erteilung von weiteren Duldungen seitens der Ausländerbehörde erfolge jedoch unabhängig davon, ob die Kläger im Besitz von Nationalpässen sein. Damit sei auch der weitere Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG gesichert. Ein direkter Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG liege nicht vor, da die Passbeschaffung nicht unmittelbar der Sicherstellung des Lebensunterhalts diene. Die Kläger zu 1) bis zu 3) hätten auch Zugang zum Arbeitsmarkt, da ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf Antrag durch das Ausländeramt erlaubt werden könne. Die Kläger geben an, die Pässe zu benötigen, weil sie hierdurch die Möglichkeit sähen, einen besseren Aufenthaltstitel als die bisher erteilten Duldungen zu erhalten.
Mit Widerspruchsschreiben vom 24.04.2006 machten die Kläger geltend, es sei der Beklagten bekannt, dass die Agentur für Arbeit in C praktisch jeden Antrag auf Erteilung einer Arbe...