Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Unfallrente auf die Altersrente nach § 93 SGB 6
Orientierungssatz
1. Die Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Altersrente aus der Rentenversicherung nach § 93 SGB 6 orientiert sich am Gemeinwohl der Generationen übergreifenden Versichertengemeinschaft, welches Grenze für die Beschränkung des Rentenversicherungs-Eigentums ist.
2. Auf die Altersrente wird nur der den Grenzbetrag der Verletztenrente übersteigende Teil angerechnet. Das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG wird mit dieser Regelung nicht verletzt.
3. § 93 SGB 6 ist auch dann verfassungsgemäß, wenn der Arbeitsunfall einen beruflichen Aufstieg verhindert hat.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 13.12.2004 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 09.08.2005 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anrechnung der Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf seine von der Beklagten gewährte Altersrente gemäß § 93 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI).
Der am 00.00.1942 geborene Kläger bezieht aufgrund eines Arbeitsunfalles vom 20.10.1964 von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft in Mainz Verletztenrente. Gemäß Bescheid der Berufsgenossenschaft vom 12.12.2003 wurde die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 05.08.2003 auf 30 % neu festgestellt. Der Zahlbetrag der Rente betrug ab 01.09.2003 monatlich 528,32 Euro.
Mit Rentenbescheid vom 16.03.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.03.2004 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von (brutto) 1.795,66 Euro. Gemäß § 93 SGB VI verminderte die Beklagte diesen Betrag um 356,85 Euro, um die die Summe der Rentenbeträge den Grenzbetrag überstieg. Die Altersrente des Klägers betrug somit brutto 1.438,81 Euro; bzw. der Zahlbetrag der Rente unter Berücksichtigung der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung belief sich auf 1.307,88 Euro ab April 2004 (im März 2004 wegen des noch niedrigeren Beitrags des Klägers zur Pflegeversicherung auf 1.320,11 Euro).
Mit dem am 31.03.2004 erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Anrechnung der Verletztenrente auf die Altersrente, die er für nicht gerechtfertigt hielt. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch unter Hinweis auf die anzuwendende Vorschrift des § 93 SGB VI zurück.
Zur Begründung der am 02.08.2004 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere vorgetragen, die Kürzung seiner Altersrente unter Anrechnung eines Teils der Unfallrente sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die angewandte Regelung des § 93 SGB VI verstoße nach seiner Auffassung gegen Art. 14 Grundgesetz (GG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterlägen auf eigener Beitragsleistung beruhende Anwartschaften in der Sozialversicherung dem Eigentumsschutz nach Art. 14 GG. Dem Verstoß gegen Art. 14 GG könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Versicherte durch die zusätzlich gewährte Unfallrente "unter dem Strich" jedenfalls den ihm aufgrund seiner Beitragsleistung zustehenden Betrag erhalte, denn der Anspruch auf die Unfallrente sei ebenfalls nicht disponibel. Die gesetzliche Unfallversicherung gehöre zwar zum Bereich der Sozialversicherung, bei den Leistungen handele es sich jedoch nicht um staatliche Sozialleistungen, bei deren Gewährung dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zur Verfügung stünde. Die Lasten der Unfallversicherung würden ausschließlich durch die Arbeitgeber im Umlageverfahren getragen, wobei als Gegenleistung für die von den Arbeitgebern allein getragenen Kosten Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber sowie ein zivilrechtliches Schmerzensgeld ausgeschlossen seien. Hierbei sei noch zu berücksichtigen, dass die Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung einmal die unfallbedingte Minderung der Erwerbschancen ausgleichen solle, die sich zwangsläufig negativ auf die Höhe der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auswirken müsse, daneben aber auch den Ausgleich unfallbedingter Erschwernisse dienen solle, die nicht in Geld messbar seien und schließlich auch eine gewisse Schmerzensgeldfunktion hätten. Ob Anrechnungs- bzw. Ruhensvorschriften generell ausgeschlossen oder im Rahmen des vom Gesetzgeber zu bestimmenden Inhalts bzw. der Schranken im gewissen Umfang zulässig seien, könne dahingestellt bleiben. Das bis zum 31.12.1991 geltende Recht habe in §§ 1278 ff Reichsversicherungsordnung (RVO) zwar auch Anrechnungs- und Ruhensvorschriften enthalten, die sich jedoch nicht nur am Jahresarbeitsverdienst, sondern auch an der Rentenbemessungsgrundlage ausgerichtet hätten, wobei eine Anrechnung regelmäßig erst für Unfallrenten nach einer MdE von mehr als 40 % relevant geworden sei. Jedenfalls überschreite nach Auffassung des Klägers die mit § 93 SGB VI gegenüber dem früheren Recht erfolgt...