Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Gewährung von Witwenrente bei Eheschließung aus Versorgungsgründen
Orientierungssatz
1. § 65 Abs. 6 SGB 7 schließt einen Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente aus, wenn die Ehe ausschließlich oder überwiegend zu dem Zweck eingegangen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu.
2. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist ausgeschlossen, wenn die Versorgungsabsicht des Versicherten zugunsten der Antragstellerin prägend für den Heiratsentschluss gewesen ist. Dies ist u. a. der Fall, wenn die Eheschließung Gegenleistung für die Pflege und persönliche Zuwendung in den letzten Lebenswochen sein sollte.
3. Ist der notwendige Beweis des Gegenteils einer im Vordergrund stehenden Versorgungsabsicht beider Ehegatten nicht erbracht, so ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der schlechte Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung für Dritte klar erkennbar war und der Versicherte bereits drei Monate danach verstarb.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 19.06.2019 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Im Streit ist das Vorliegen einer sog. Versorgungsehe bei einer Eheschließung am 00.06.2016 und Tod des Versicherten am 00.08.2016.
Der Versicherte A B (geb. 00.00.1957) war bei der D GmbH, B1, im Zuständigkeitsbereich der Beklagten beschäftigt und erzielte hier zuletzt einen Jahresarbeitsverdienst von 67.500 Euro. Er und die am 00.00.1969 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat und die zum Zeitpunkt der Eheschließung - neben Einkünften aus diversen Putzstellen - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Regelbedarf und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 913,41 Euro) bezog, hatten sich im Jahr 2012 kennen gelernt und nahmen 2013 eine Beziehung auf, die der Versicherte allerdings Ende des Jahres 2014 wieder beendete. Nachdem beide übereingekommen waren, die Beziehung - bei weiterhin getrennten Wohnungen - fortzusetzen, wurde bei dem Versicherten im Juli 2015 ein Pleuramesotheliom diagnostiziert und mit mehreren Chemotherapiezyklen behandelt. Nach Eingang einer BK-Anzeige seitens der Techniker Krankenkasse leitete die BG RCI ein Feststellungsverfahren zur Prüfung zum Vorliegen einer BK 4105 ein und gab das Verfahren am 28.04.2016 an die Beklagte ab. Im Rahmen eines Gesprächs eines Mitarbeiters der Beklagten mit dem Versicherten am 18.08.2015 gab dieser an, er sei umfassend über die Schwere seiner Erkrankung aufgeklärt. In dem Vermerk heißt es weiter: "Der Versicherte teilte mit, dass auch seine Lebensgefährtin über die Schwere seiner Erkrankung aufgeklärt ist. Der Versicherte wurde kurz über die wesentlichen Inhalte des § 65 SGB VII (Versorgungsehe) informiert".
In der Folgezeit beendete der Versicherte erneut die Beziehung zur Klägerin. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich, im Februar 2016 wurde bei ihm die Pflegestufe II anerkannt.
Im März 2016 wurde der Versicherte im Anschluss an einen mit einer Palliativkomplexbehandlung verbundenen Aufenthalt vom 15.02.2016 bis 29.02.2016 im B-Hospital F im Pflegeheim "Q F" stationär aufgenommen. Die Ärztin Dr. E gab der Beklagten gegenüber am 10.05.2016 telefonisch die Auskunft, dass der Versicherte einmal wöchentlich dienstags eine Chemotherapie erhalte.
Die Klägerin nahm den Versicherten ab dem 20.05.2016 in ihrer Wohnung G-Straße 72, B1) auf. Der Versicherte blieb postalisch in seiner alten Wohnung (U-Straße 27, B1) gemeldet. Ausweislich eines Berichts der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau H, über den Besuch beim Versicherten zur Prüfung der Pflegesituation und Erläuterung der Ansprüche am 03.06.2016, bei dem auch die Klägerin anwesend war, befand sich der Versicherte, in einem sehr reduzierten Kräfte-, Allgemein- und Ernährungszustand. Der Versicherte litt unter erheblicher Luftnot und war zur Gewährleistung der Atmung auf eine 24-Stunden-Versorgung mit Sauerstoff mit einem mobilen Sauerstoffgerät angewiesen. In dem Aktenvermerk über den Besuch heißt es weiter: "Er besitzt einen Rollstuhl....Er verlässt die Wohnung nur noch, um zur Chemo zu gehen. In der Wohnung hat er einen Rollator, auch hier ist er sehr unsicher und braucht oft trotz Rollator Hilfe und Stütze beim Gehen..... Duschen kann er nicht, da er nicht allein so lange stehen kann". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Aktenvermerks vom 03.06.2016, Bl. 247-249 VA) Bezug genommen.
Die Beklagte erkannte das Pleuramesotheliom als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (Durch Asbe...