Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Witwenrente. Versorgungsehe. gesetzliche Vermutung. Widerlegung
Orientierungssatz
Die Tatsache, dass die Klägerin bereits seit über 10 Jahren mit dem Versicherten in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt hatte und in dessen Familie integriert war, entkräftet die Annahme einer Versorgungsehe iSv § 594 RVO nicht.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die 1938 geborene Klägerin ist die Witwe des 1929 geborenen und 1996 an den Folgen eines metastasierenden Lungenkarzinoms verstorbenen Versicherten H. M.. Die Krebserkrankung war im Frühjahr 1995 festgestellt worden. Nachdem der Kläger am 23.05.1995 in der R.klinik in E. operiert worden war, erstattete Dr. G., Chefarzt der Abteilung Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie der R.klinik im Juli 1995 eine Berufskrankheiten-Anzeige. Mit Bescheid vom 07.05.1996 erkannte die Beklagte das Karzinom als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) an und bewilligte dem Versicherten rückwirkend ab 13.06.1995 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. Die Rente betrug zuletzt 2.210,34 DM monatlich.
Ende August 1996 wurde bei dem Versicherten während einer stationären Behandlung im St. V.-Krankenhaus M. ein Tumorrezidiv mit Nebennierenmetastasen festgestellt. Angesichts des ausgeprägten Rezidivbefundes verzichteten die Ärzte auf weitere invasive Maßnahmen und führten lediglich eine symptomatische Therapie insbesondere- zur Schmerzbekämpfung durch. Der Versicherte wurde am 11.09.1996 in bettlägerigem Allgemeinzustand entlassen. Am 12.09.1996 heirateten die Klägerin und der Versicherte. Die Eheschließung fand im unmittelbaren Anschluß an die Aufgebotsverhandlung in der Wohnung der späteren Eheleute statt. Wegen der Schwere der Erkrankung hatte der Standesbeamte dem Antrag auf Befreiung vom Aufgebot stattgegeben. Sowohl für die Klägerin als auch für den Versicherten war es die zweite Ehe. Die Klägerin war seit 1981 geschieden; die erste Ehefrau des Versicherten war im Jahre 1981 verstorben.
Im September 1996 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenleistungen. Zu den Gründen der Eheschließung gab sie folgende Stellungnahme ab: Sie sei mit dem Versicherten seit September 1983 befreundet gewesen und habe mit ihm seit August 1984 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt. Sie hätten bereits seit Jahren die formelle Eheschließung "ins Auge gefaßt". Hierbei sei es dann aber verblieben. Nach der Operation hätten sie konkret beabsichtigt, die Ehe miteinander einzugehen. Allerdings habe der Versicherte warten wollen, bis es ihm gesundheitlich wieder besser gegangen sei. Es sei beabsichtigt gewesen, zusammen mit den vorgesehenen Trauzeugen eine Reise in die USA zu unternehmen und die formelle Trauung in Las Vegas zu vollziehen. Der angegriffene Gesundheitszustand des Versicherten habe dies dann aber nicht mehr zugelassen. Sie sei seit langem vollständig in die Familie des Versicherten, dessen Enkel "Oma" zu ihr sagten, integriert.
Mit Bescheid vom 17.12.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente unter Berufung auf § 594 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab. Zwar sei der Versicherte an den Folgen der anerkannten Berufskrankheit verstorben. Die Ehe sei jedoch erst am 12.09.1996 geschlossen worden, und nach Abwägung aller Umstände spreche mehr für eine Versorgungsehe als dagegen. Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie machte geltend, durch die Regelung des § 594 RVO solle verhindert werden, dass Versicherte kurz vor ihrem Tode noch eine Ehe schlössen, um einen anderen in den Genuss der Hinterbliebenenbezüge zu bringen, ohne dass mit der Eheschließung emotionale Bindungen einhergingen. Der Versicherte und sie hätten aber seit Jahren wie ein Ehepaar miteinander gelebt und seien füreinander dagewesen. Insbesondere nach der Erkrankung des Versicherten habe sie sich intensiv um seine Pflege und seine Versorgung gekümmert. Sie sei auch Patin eines seiner Enkelkinder. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.1997 wies die Beklagte den Rechtsbehelf der Klägerin zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.06.1997 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Die Eheschließung habe dem innigen Wunsch beider Ehegatten entsprochen. Etwa seit 1993 und damit lange vor dem Bekanntwerden der Erkrankung des Versicherten hätten konkrete und ernsthafte Heiratsabsichten bestanden. Die Eheschließung habe aber mit einer besonderen Reise verbunden werden sollen. Im Jahre 1994 sei die Heirat zurückgestellt worden, weil der Versicherte stark an Gewicht verloren habe und ärztlicherseits der Grund zunächst nicht erkannt worden sei. Nach dem Bekanntwerden der Erkrankung und der Operation sei die Heirat zurückgestellt worden, weil der Versicherte bis zuletzt an eine vollständige Genesung geglaubt und an seiner Absicht festgehalten habe, die Eheschließung mit einer Reise in die USA...