Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitgeberanteil zum Beitrag zur Rentenversicherung bei Versicherungsfreiheit des Beschäftigten
Orientierungssatz
1. Für einen Beschäftigten, der als Bezieher einer Vollrente wegen Alters oder wegen Vollendung des 65. Lebensjahres versicherungsfrei ist, trägt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags, der zu entrichten wäre, wenn der Beschäftige versicherungspflichtig wäre.
2. § 172 Abs. 1 SGB 6 ist verfassungsgemäß. Die Vorschrift soll eine bevorzugte Beschäftigung von Altersrentnern erschweren. Der Arbeitgeber, der einen Altersrentner beschäftigt, soll keinen ungerechtfertigten Kostenvorteil genießen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 8. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Aufwendungen der Beklagten und der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 8.493,33 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu Recht Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für eine über 65-jährige Kanzleikraft an die Beklagte als Einzugsstelle entrichtet hat.
Der Kläger beschäftigte in seiner E Rechtsanwaltskanzlei u. a. die am 00.00.1934 geborene N N als Kanzleikraft über das Erreichen des 65. Lebensjahres hinaus (01.12.1999) bis zum 30.06.2004. Frau N bezog das Arbeitsentgelt neben einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ihre Arbeitszeit in der Kanzlei lag oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Das Bruttogehalt entsprach bis Ende 2002 den früheren Einkünften aus abhängiger Beschäftigung; ab 2003 lag es geringfügig darunter. Der Kläger entrichtete in der Folgezeit den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beklagte als Einzugsstelle.
Mit Schreiben vom 19.08.2003 beantragte er die Freistellung von der Zahlungspflicht, hilfsweise die Befreiung der Arbeitnehmerin von der Versicherungspflicht. Die Regelung des § 172 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sei verfassungswidrig, da die abgeführten Beiträge bei der Mitarbeiterin N nicht rentenerhöhend berücksichtigt würden. Im Laufe einer zu erwartenden Beschäftigungszeit von fünf oder sechs Jahren über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus fielen für ihn rund 10.000 EUR an Rentenversicherungsbeiträgen an, ohne dass es für diese Zahlungsbelastung ein Äquivalent gebe.
Mit Bescheid vom 29.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2003, eingegangen beim Kläger am 05.01.2004, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zwar führten die fiktiven Beitragsanteile gemäß § 172 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 i. V. m. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI nicht zu einer individuellen Zurechnung zu dem beschäftigten Arbeitnehmer. Der Vorschrift lägen jedoch arbeitsmarktpolitische Motive zugrunde: Sie habe das Ziel, Wettbewerbsvorteilen entgegen zu wirken, die Arbeitgeber versicherungsfreier Personen ohne diese Regelung hätten. Die Umsetzung dieses Zieles sei dem Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes erlaubt.
Zur Begründung seiner am 05.02.2004 zum Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage hat sich der Kläger auf seinen bisherigen Vortrag bezogen. Ergänzend hat er vorgetragen, eine Verletzung des Gleichheitssatzes, der Eigentumsgarantie und der Berufsfreiheit sei offensichtlich. Gerade in jüngerer Zeit habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit den Entscheidungen zu den sog. Einmalzahlungen (vgl. BVerfGE 92, 53, 102, 127) deutlich gemacht, dass Leistungen an Sozialversicherungsträger nicht "im leeren Raum verpuffen" dürften.
Er hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2003 aufzuheben und festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, für seine Mitarbeiterin N N, Sstraße 00, L, Sozialversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten abzuführen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hat sie nicht geteilt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 08.02.2005 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Verpflichtung zur Abführung des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung ergebe sich aus § 172 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI, dessen Voraussetzungen unstreitig vorlägen. Die Normen seien auch nicht verfassungswidrig. Zwar stelle die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung eine Berufsausübungsregelung dar und berühre insoweit den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Eingriff sei jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor. Die Eigentumsgarantie schütze nicht das Vermögen als solches gegen die Auferlegung öffentlich-rechtlicher Geldleistungen, soweit es dadurch nicht zu einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensve...