Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnarzt. Degressionsregelung. grundsätzliche Nichtanwendung von § 45 SGB 10 auf Honorarrückforderung. Unrichtigkeit des Honorarbescheides
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 45 SGB 10 ist auf die Korrektur von Honorarbescheiden grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl zuletzt BSG vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R = BSGE 89, 62 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42).
2. Auch in Fällen, in denen die Unrichtigkeit des Honorarbescheides nicht dem Vertrags(zahn)arzt zuzurechnen ist, kann eine sachlich-rechnerische Berichtigung erfolgen (vgl BSG vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R = aaO).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung für das Kalenderjahr 1995 in Höhe von 164 588,41 DM.
Die Kläger sind Vertragszahnärzte und waren ab dem 01.10.1995 zur vertragszahnärztlichen Versorgung in Gemeinschaftspraxis in M zugelassen.
Die Beklagte forderte mit Bescheid vom 21.12.1999 auf der Grundlage von § 85 Abs. 4 b -- 4 e SGB V den streitigen Honoraranteil für das Kalenderjahr 1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus, das Bundessozialgericht (BSG) habe es im Urteil vom 03.12.1997 -- 6 RKa 79/96 -- für rechtmäßig angesehen, dass für einen Gemeinschaftspraxispartner, der im laufenden Kalenderjahr als gleichberechtigtes Mitglied in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen werde, nicht die volle degressionsfreie Punktmenge von 350.000 Punkten, sondern nur der der Dauer seiner Tätigkeit entsprechende Anteil anzurechnen sei. Dem mit der Einführung der sogenannten Degression zugrundeliegenden Gesetzeszweck entspreche es nicht, wenn einem Zahnarzt bei der Berechnung der degressionsfreien Punktmenge die volle für das gesamte Kalenderjahr zur Verfügung stehende degressionsfreie Punktmenge von 350.000 Punkten zuerkannt würde, obwohl er seine vertragszahnärztliche Tätigkeit nur während eines bestimmten Anteiles des Kalenderjahres ausgeübt habe. Bei der Ermittlung der Punktmengenüberschreitung und der daraus resultierenden Honorarminderung im Jahr 1995 habe die Beklagte diese -- damals noch nicht bekannte -- Rechtsauffassung nicht berücksichtigt, sondern jedem zu welchen Zeitpunkt des Kalenderjahres auch in eine Gemeinschaftspraxis aufgenommenen Vertragszahnarzt die volle degressionsfreie Punktmenge von 350.000 Punkten zuerkannt. Aufgrund der nunmehr bekannten Rechtsauffassung des BSG sei die Beklagte verpflichtet, Honorarrückforderungen gegenüber den betroffenen Vertragszahnärzten vorzunehmen; für die Praxis der Kläger ergebe sich für das Kalenderjahr 1995 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG eine Honorarrückforderung in Höhe von 164.588,41 DM. Mit ihrem Widerspruch machten die Kläger geltend, nach Ablauf von 4 Jahren müsse eine vertragszahnärztliche Praxis nicht mehr mit Honorarkorrekturen rechnen, die sich aufgrund von Fehlinterpretationen der Beklagten ergäben. In formeller Hinsicht verstoße der Bescheid gegen § 24 SGB X, so dass den Klägern gemäß § 63 SGB X die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten seien.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2000 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Vertrauensschutz hinsichtlich des Bestandes des Honorarbescheides für das Jahr 1995 für die Kläger nicht bestehe. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bestimme sich nach der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes. Bei dieser Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Honorarbescheides mit dem Interesse des jeweiligen Zahnarztes an der Bestandskraft desselben überwiege das öffentliche Interesse an der Rücknahme. Nach der Entscheidung des BSG vom 14.05.1997 sollte die Einführung der gesetzlichen Punktwertdegression die bedrohliche Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisieren. Bei der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung handele es sich um ein bedeutendes Gemeinschaftsgut, welches die Belastung der einzelnen Zahnärzte rechtfertige. Hierbei werde berücksichtigt, dass die Beklagte verpflichtet sei, bisher nicht abgeführte Beiträge auch nachträglich noch an die Krankenkassen zurückzuführen. Der Honorarbescheid für das Quartal IV/1995 habe sich als rechtswidrig erwiesen. Vertrauen auf den Bestand des Bescheides stehe der Nachberechnung nicht entgegen. Ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Rücknahme bestehe auch deshalb, weil anderenfalls die erforderliche Rückzahlung zu Lasten aller Vertragszahnärzte ginge. Unter Berücksichtigung dieser Umstände müsse das auf rein finanzielle Erwägungen gründende Interesse des einzelnen Zahnarztes am Bestand des Honorarbescheides zurücktreten.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und die Ansicht vertreten, eine Ermächtigungsgrundlage für die vorgenommene Honorarrückforderung bestehe nicht. Eine Rechtsgrundlage im Sinne einer Spezialregelung gemäß § 37 Satz 1 SGB I für eine nachträgliche Änderung des Honorarbescheides existi...