Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des geduldeten Ausländers vom Bezug des Erziehungsgeldes
Orientierungssatz
1. Zählt ein Ausländer nicht zum Kreis der freizügigkeitsberechtigten Bürger, so kommt für ihn ein Anspruch auf Erziehungsgeld nur nach Maßgabe der Regelungen für sonstige ausländische Staatsangehörige in Betracht.
2. Anspruchsberechtigt ist ein Ausländer nur, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis oder über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt. Eine bloße Duldung reicht zur Erlangung von Erziehungsgeld nicht aus.
3. Der Entscheidung der Ausländerbehörde kommt für das Erziehungsgeldrecht Tatbestandswirkung zu. Die förmliche Feststellung des Aufenthaltsrechts muss bereits zu Beginn des Leistungszeitraums vorliegen.
4. Die gesetzliche Regelung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004, 1 BvR 2515/95, ist der Ausschluss geduldeter Ausländer vom Bezug des Erziehungsgeldes nicht zu beanstanden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.11.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für ihre Tochter K auch für den Zeitraum vom 3.4.2005 bis zum 28.2.2006 hat.
Die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Klägerin reiste 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglosem Abschluss ihres Asylverfahrens sollte die Klägerin im Jahr 2004 in die Bundesrepublik Serbien und Montenegro zurückgeführt werden. Wegen einer Schwangerschaft und einer drohenden Fehlgeburt wurde die Abschiebung ausgesetzt (Duldung gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Die Duldung trägt den üblichen erläuternden Zusatz "Kein Aufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig."
Am 27.10.2004 erkannte der deutsche Staatsangehörige S G die Vaterschaft für das von der Klägerin erwartete Kind an. Dieses (fünfte) Kind K wurde am 00.04.2005 geboren und erhielt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Klägerin beantragte am 21.4.2005 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis i.S.v. § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für das deutsche Kind. Diese wurde von der Ausländerbehörde zunächst verweigert, weil sie die biologische Vaterschaft des Herrn G bezweifelte und die Vorlage eines Vaterschaftstest verlangte. Nachdem die Klägerin auf einen Erlass des nordrhein-westfälischen Innenministeriums vom 7.12.2005 verwies, wonach die Aufenthaltserlaubnis unabhängig davon zu erteilen sei, ob der die Vaterschaft anerkennende Deutsche tatsächlich der biologische Vater ist, erteilte die Ausländerbehörde der Klägerin schließlich am 16.3.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG.
Am 20.10.2005 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für K.
Die Erziehungsgeldkasse bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 20.4.2006 bezüglich des ersten Lebensjahres des Kindes Erziehungsgeld für den Zeitraum vom 1.3.2006 bis zum 2.4.2006; für die Zeit vom 3.4.2005 bis zum 28.2.2006 lehnte sie die Leistung mit der Begründung ab, dass der Klägerin erst im Verlaufe des Kalendermonates März 2006 eine Aufenthaltserlaubnis ausgehändigt worden sei, die zum Bezug von Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1-4 BErzGG berechtige.
Die Klägerin widersprach und forderte Erziehungsgeld von Geburt des Kindes an, da das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.5.2006 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei erst ab dem 16.3.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG, zuvor habe sie lediglich eine Duldung besessen, die nicht zum Bezug von Erziehungsgeld berechtige.
Mit der am 22.6.2006 beim Sozialgericht Duisburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat sich im Wesentlichen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2004 (BVerfG, 1 BvR 2515/95 = SozR -7833 § 1 Nr. 4) bezogen, wonach der generelle Ausschluss von ausländischen Mitbürgern, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besitzen, nicht grundgesetzkonform sei. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2007 abgewiesen: Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Erziehungsgeld, da sie nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis ( § 1 Abs. 6 BErzGG) gehöre. Sie erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 BErzGG weder nach der bis zum 31.12.2005 geltenden, durch Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 geänderten Fassung des § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG (a.F.) noch nach der Fassung des Art. 3 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBI. l 2006, S. 2915 ff.). Denn sie sei im maßgeblichen Zeitraum zwischen dem 3.4.2005 und 28.2.2006 zu keinem Zeitpunkt im Besitz eines der in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitels gewesen, der zu einem Anspruch auf Erziehungsge...