Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft. Schlüssiges Konzept. Datenerhebung und Datenauswertung. Einfacher Mietspiegel. Erkenntnisausfall. Sicherheitszuschlag. Mietstufe

 

Orientierungssatz

1. Zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft hat der Grundsicherungsträger die sog. Referenzmiete zu bestimmen. Diese stellt den Mietpreis für eine Wohnung einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt dar. Der ermittelte Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards wird dann nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zustehenden Quadratmeterzahl multipliziert. Dies ergibt die angemessene Miete.

2. Verfügt der Grundsicherungsträger über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Referenzmiete, so sind die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % heranzuziehen.

3. Für die abstrakte Angemessenheitsgrenze i. S. von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 ist entscheidend, welche Mittel ein Leistungsberechtigter aufbringen muss, um eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht, im Vergleichsraum anzumieten (BSG Urteil vom 6. 8. 2014, B 4 AS 37/13 R). Deshalb ist der Sicherheitszuschlag von 10 % im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums weiterhin erforderlich.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1; WoGG § 12; BGB § 558c

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.07.2017; Aktenzeichen B 14 AS 52/17 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 22.06.2016 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.3016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28.09.2016 und vom 26.11.2016 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2016 bis zum 28.02.2017 Leistungen für Kosten von Unterkunft und Heizung i.H.v. monatlich 600,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von März 2016 bis Februar 2017.

Seit 2005 bezieht die 1965 geborene Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Am 02.11.2013 zog sie in die 56 qm große Wohnung, T-straße 00, L um. Die Bruttowarmmiete beträgt 600,00 EUR (480,00 EUR Grundmiete + 70,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung + 50,00 EUR Heizkostenvorauszahlung). Der Beklagte übernahm ab dem 01.12.2013 abgesenkte Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 474,00 EUR (424,00 EUR Bruttokaltmiete + 50,00 EUR Heizkostenvorauszahlung) unter Zugrundelegungen des Höchstbetrages des § 12 WoGG i.d.F. bis zum 31.12.2015 (385,00 EUR) zuzüglich eines Zuschlages von 10%.

Mit Bescheid vom 11.01.2016 bewilligte der Beklagter der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von März 2016 bis Februar 2017 i.H.v. insgesamt 887,29 EUR monatlich (Regelbedarf 404,00 EUR + Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II 9,29 EUR + Kosten der Unterkunft und Heizung 474,00 EUR).

Den gegen die Höhe der bewilligten Leistungen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2016 zurück.

Am 04.04.2016 hat die Klägerin Klage erhoben und vorgetragen, der angefochtene Bescheid verstoße gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des UN-Sozialpakts. Die Höhe der Regelsätze sei nicht gesetzeskonform, insbesondere seien die Regelsätze auch zu Unrecht nicht unter Berücksichtigung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013, die im September 2015 veröffentlicht worden sei, neu festgesetzt, sondern lediglich fortgeschrieben worden.

Das Sozialgericht Köln hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2016 abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 23.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.07.2016 beim Sozialgericht Köln Berufung eingelegt und angenommen, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe nur die Höhe des Regelsatzes angegriffen habe. Dies sei nicht der Fall, denn sie wende sich sowohl gegen die Regelsatzberechnung als auch gegen die Höhe der ihr gewährten Leistungen für Kosten der Unterkunft. Das Sozialgericht habe sich weder mit der Ermittlung der angemessenen Miete noch mit der Regelsatzberechnung befasst.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 22.06.2016 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 11.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2016 sowie der Änderungsbescheide vom 28.09.2016 und vom 26.11.2016 zu verurteilen, der Klägerin Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 600,00 Euro für die Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2017 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Revis...

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