Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit einer gebietsübergreifenden Praxisgemeinschaft zwischen Psychiatern, Psychotherapeuten und Psychologischen Psychotherapeuten mit Geschäftsführer

 

Orientierungssatz

1. Die Bildung einer gebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis von Psychiatern, Psychotherapeuten und Psychologischen Psychotherapeuten, bei der nach dem Gesellschaftsvertrag dem "Seniorpartner" die gesamte Geschäftsführung und Abrechnung übertragen wird und die übrigen Ärzte, die "Juniorpartner", 35% ihrer Honorare der Gesellschaft als Kostenanteil der Praxisorganisation zu überlassen haben, bedeutet nicht schon wegen dieser Organisationsform eine gröbliche Pflichtverletzung, welche die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung aller Gesellschaftsmitglieder rechtfertigt.

2. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Juniorpartner liegt in einem solchen Fall nicht vor, wenn dem Seniorpartner als Geschäftsführer ein Weisungsrecht bezüglich der Behandlung weder im Gesellschaftsvertrag eingeräumt ist noch tatsächlich Weisungen erteilt worden sind.

 

Tenor

Die Berufung der Beigeladenen zu 5) gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.11.2005 wird zurückgewiesen. Die Beigeladene zu 5) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

Der 1952 geborene Kläger, der zugleich Dipl.-Psych. ist, ist sei 1988 als Arzt für Neurologie und Psychiatrie in L zugelassen. Mit Beschluss vom 29.11.1995 wurde vom Zulassungsausschuss für Ärzte Köln die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W mit Wirkung vom 01.01.1996 genehmigt. Mit Beschluss vom 18.10.2000 genehmigte der Zulassungsausschuss mit Wirkung vom 01.10.2000 eine gebietsübergreifende Gemeinschaftspraxis des Klägers und Dr. W mit der praktischen Ärztin-Psychotherapie-M. Dr. W ist mit Wirkung vom 30.06.2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden, Frau M mit Wirkung vom 30.09.2000. Am Standort der Praxis bestand daneben mit gemeinsamer Nutzung der Praxisräume eine Gemeinschaftspraxis von sieben Psychologischen Psychotherapeuten, die mit Beschluss vom 26.9.2000 mit Wirkung vom 1.10.2000 vom Zulassungsausschuss genehmigt worden war.

Der Zulassungsausschuss hat mit Beschluss vom 27.10.2004 mit Wirkung vom 01.10.2004 die Errichtung einer gebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis des Klägers mit dem praktischen Arzt C und die Zulassung der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H in gemeinsamer Ausübung der Tätigkeit mit dem Kläger (Job-Sharing) genehmigt. Inzwischen ist Frau Dr. H mit Wirkung vom 01.01.2006 als ausschließlich psychotherapeutische Ärztin zugelassen worden; zugleich ist eine Gemeinschaftspraxis des Klägers mit Herrn C und Dr. H genehmigt worden (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 04.01.2006). Zugleich wurde im Jahr 2004 mit anderen Ärzten und Psychologen eine medizinische Kooperationsgemeinschaft in Gestalt einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet. Die Ärztekammer Nordrhein hat gegen die Errichtung einer medizinisch-psychologischen Kooperationsgemeinschaft nach B 2 Nr. 9 Abs. 5 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte nach den vorgelegten Vertrag keine berufsrechtlichen Bedenken erhoben (Schreiben vom 24.09.2004). Hinsichtlich der Genehmigung der medizinisch-psychologischen Kooperationsgemeinschaft hatte der Zulassungsausschuss mit Schreiben vom 08.07.2004 seine Zuständigkeit verneint. Mit Beschluss vom 17.01.2005 hat er förmlich die Genehmigung für die medizinisch-psychologische Kooperationsgemeinschaft mangels Zuständigkeit abgelehnt und zugleich hilfsweise gestellte Anträge auf Errichtung einer gebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxis mit weiteren Ärzten bzw. psychologischen Therapeuten abgelehnt. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen hat der Kläger den ab 01.10.2004 geltenden Vertrag über die Gemeinschaftspraxis sowie den Vertrag über die Kooperationsgemeinschaft im Zulassungsausschuss vorgelegt.

Die Vorlage des zwischen dem Kläger und Dr. W bzw. Frau M bestehenden Vertrages über die Gemeinschaftspraxis war vom Zulassungsausschuss seinerzeit nicht verlangt worden. Erst im Zusammenhang mit einem früheren Bestreben des Klägers auf Genehmigung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis mit den Psychologischen Psychotherapeuten (Verfahren SG Köln S 9 KA 27/01) erfolgte Ende 2000 die Vorlage eines unter dem 01.12.1998 zwischen dem Kläger und Dr. W geschlossenen Vertrages. In diesem Vertrag wird der Kläger als Seniorpartner und Dr. W als Juniorpartner bezeichnet. Nach § 3 war die Bildung eines gemeinsamen Gesellschaftsvermögens nicht vorgesehen. Die Kassenarztpraxis werde ausgeübt in den bestehenden Praxisräumen des Seniorpartners bzw. dessen Praxisorganisation. Nach § 4 Abs. 2 war der Kläger zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen. Soweit...

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