Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücküberweisung von für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf dessen Konto überwiesenen Rentenleistungen durch das Geldinstitut bei durchgehend im Soll befindlichen Konto und Gewährung eines Dispositionskredits. Abhebung mittels EC Karte. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Der Leistungsträger kann von dem Geldinstitut eine zu Unrecht überwiesene Geldleistung nach dem Tode des Berechtigten nach § 118 SGB 6 auch dann zurückfordern, wenn sich das Konto durchgehend im Soll befunden hat (Entgegen BSG vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 R = BSGE 83, 176 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4).
2. Nach Sinn und Zweck des § 118 SGB 6 ist die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts nach § 118 Abs 3 SGB 6 gegenüber der Erstattungspflicht des Verfügenden bzw des Empfängers gemäß § 118 Abs 4 SGB 6 vorrangig.
3. § 118 Abs 3 SGB 6 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.08.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 1.693,77 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung einer nach dem Tode des Versicherten überzahlten Rentenleistung.
Die Klägerin zahlte dem Versicherten I U (im Folgenden: der Leistungsberechtigte) die Altersrente in Höhe von 1.116,27 Euro auf sein Konto bei der Beklagten (Nr. 000). Am 17.03.2004 verstarb der Leistungsberechtigte. Die Einstellung der Rentenzahlung gelang erst am 31.05.2004, weshalb zwei Monatsraten in Höhe von zusammen 2.232,54 EUR überzahlt wurden. Zum Zeitpunkt des Todes war dem Leistungsberechtigten ein Dispositionskredit in Höhe von 1.600,- Euro eingeräumt. Auf das Rückforderungsverlangen der Klägerin vom 03.05.2004, der Beklagten nach ihren Angaben am 06.05.2004 zugegangen, zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 538,77 Euro an die Klägerin zurück. Im Übrigen könne dem Wunsch auf Rücküberweisung nicht nachgekommen werden, weil das Guthaben auf dem Konto nicht ausreiche. Bei Eingang des ersten überzahlten Rentenbetrages habe sich das Konto nach Auskunft der Beklagten in einem Soll von 1.755,65 EUR befunden, bei Eingang des Rückforderungsverlangens in einem solchen von 1.754,79 EUR Eine Aufrechnung mit eigenen Forderungen habe nicht stattgefunden. Es seien dann Einziehungsaufträge, Daueraufträge und Kartenverfügungen erfolgt. Verfügungsberechtigt über das Konto sei die Tochter des Versicherten, Frau N U gewesen. Die Bemühungen der Klägerin, von der über das Konto verfügungsberechtigten Tochter, weiteren Angehörigen, einem eingesetzten Nachlasspfleger und einem Bekannten des Leistungsberechtigten die Erstattung der überzahlten Renten zu erlangen, blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 09.12.2004 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 1.693,77 EUR unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R - auf. Die Beklagte lehnte weitere Rückzahlungen ab; das Urteil des BSG vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R - könne ihren Standpunkt nicht ändern.
Am 07.04.2005 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die restliche Rentenüberzahlung von der Beklagten zurückgefordert und sich dabei auf die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG berufen hat.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.693,77 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unbegründet. Insoweit hat sie sich auf das Urteil des 9. Senats des Bundessozialgerichts vom 09.12.1998 (Az: B 9 V 48/97 R) bezogen und die Auffassung vertreten, der Entreicherungseinwand könne immer dann geltend gemacht werden, wenn nicht genügend Guthaben auf dem Konto ausgewiesen sei und zugleich nach Eingang der Rente noch anderweitige Verfügungen vorgenommen worden seien. Die gesetzliche Regelung differenziere nicht danach, ob das Konto bei Eingang der Rentenzahlung im Haben oder im Soll geführt worden sei. Nach § 55 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erfolgten anderweitige Verfügungen bis zur Höhe der Rentenzahlung in den ersten sieben Tagen nach Eingang derselben aus der Rentenzahlung. Im Übrigen habe das Geldinstitut einen vom Rentenversicherungsträger zu Unrecht geleisteten Betrag nicht im Sinne von § 118 Abs.3 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet, wenn sich durch Einbuchung des empfangenen Betrages auf dem Konto des verstorbenen Rentenbeziehers ein zuvor bestandener (Tages-)Soll reduziere. Vielmehr erfolge erst durch die quartalsmäßige Saldierung eine Verrechnung. Zuvor würden die Tagessalden nur informatorisch gebildet. Selbst wenn man aber von einer Verrechnung mit eigenen Forderungen ausgehe, hätte dies lediglich zur Folge, dass die dann im Widerspruch zu dem öffentlich-rechtlichen Befriedigungsverbot stehende Verrechnung unwirksam bzw. rückgängig zu machen sei. Dann werde das Geldinstitut jedoch ebenfalls durch anderweitige Verfügungen nach Eingang der Rentenzahlung...