Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen der Erledigungsgebühr
Orientierungssatz
Nr 1005 VV RVG verlangt, dass sich die Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt hat.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.07.2005 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu erstattenden Kosten eines Vorverfahrens. Umstritten ist insbesondere, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Erledigungs-/Einigungsgebühr i.S.d. Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in der Anlage zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen kann.
Die beklagte Krankenkasse lehnte durch den Bescheid vom 20.08.2004 den Antrag des am 00.00.1990 geborenen und an einer geistigen Behinderung leidenden Klägers auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit dem Ziel der sprachlichen Förderung und Verbesserung der Artikulation und des Redeflusses ab. Auf den am 27.09.2004 dagegen eingelegten Widerspruch, den der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Umfang von etwa einer DIN-A4-Seite begründet hatte, bewilligte die Beklagte die beantragte Leistung (Bescheid vom 20.10.2004).
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers erteilten daraufhin die Kostenrechnung vom 17.11.2004:
Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2500 VV RVG 240,- Euro Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005 VV RVG 280,- Euro Entgelt für Post und Telekommunikationsleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,- Euro Zwischensumme 540,- Euro 16 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG 86,40 Euro Endsumme 626,40 Euro
Die Beklagte stellte die von ihr zu erstattenden Kosten durch den Bescheid vom 08.12.2004 auf 301,60 Euro fest:
Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2500 VV RVG 240,- Euro Entgelt für Post und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,- Euro Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 41,60 Euro Endsumme 301,60 Euro.
Zur Begründung führte sie aus, dass eine Erledigungsgebühr nur dann entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mithilfe erledige. Dies treffe hier nicht zu, denn nach der Einlegung des Widerspruchs sei eine weitere Mitwirkung an der Sache durch die Prozessbevollmächtigten nicht erfolgt.
Den dagegen am 17.12.2004 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005 zurück.
Der Kläger hat am 22.02.2005 Klage vor dem Sozialgericht Aachen erhoben.
Er hat die Auffassung vertreten, dass die Erledigungsgebühr der Nr. 1005 VV RVG i.V.m. Nr. 1002 VV RVG auch dann entstehe, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledige. Diese Voraussetzung sei auch dann erfüllt, wenn der Sozialleistungsträger nach Einlegung eines Widerspruchs den angefochtenen Bescheid abändere und es daraufhin zur Erledigung der Sache komme; ausschlaggebend sei, dass die Erledigungsgebühr in erster Linie eine Erfolgsgebühr darstelle.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 08.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 324,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die bloße Vornahme von Verfahrenshandlungen nicht ausreichen könne, um die Erledigungsgebühr der Nr. 2005 VV RVG auszulösen, denn die Rechtssache müsse sich gerade durch anwaltliche Mitwirkung erledigen.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 12.07.2005 teilweise stattgegeben, indem es die Beklagte unter entsprechender Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt hat, an den Kläger weitere 162,40 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 zu zahlen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 08.08.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2005 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Nach dem Wortlaut der Nr. 1002 VV RVG entstehe die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledige. Es sei erforderlich, dass nach der Anfechtung des Verwaltungsaktes - diese stelle eine zeitliche Zäsur dar - eine weitere anwaltliche Mitwirkung stattgefunden habe. Hieran fehle es. Die Erledigungsgebühr sei nicht nur allein eine Erfolgsgebühr, sondern es sei erforderlich, dass die anwaltliche Mitwirkung ursächlich für die Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.07.2005 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.