Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen. Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag aufgrund der Übergangsregelung des § 133a SGB 12. Wegfall nach mehr als zweijähriger Unterbrechung des Leistungsbezuges. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Ein Anspruch nach § 21 Abs 3 S 4 BSHG am gesetzlichen Stichtag (31.12.2004) reicht allein nicht aus, um das Normprogramm der Übergangsregelung des § 133a SGB 12 erneut einsetzen zu lassen, wenn im Anschluss an einen Anspruch auf einen Zusatzbarbetrag nach dem 31.12.2004 der Leistungsfall in der Folgezeit wegen Wegfalls der Bedürftigkeit des stationär untergebrachten Hilfeempfängers für einen längeren Zeitraum unterbrochen war. In einer solchen Konstellation handelt es sich nicht mehr um einen von § 133a SGB 12 erfassten Übergangsfall beim Wechsel vom BSHG in das SGB 12.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.07.2009 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) für den Monat Juni 2008, insbesondere darüber, ob dem Kläger gemäß § 133a SGB XII ein zusätzlicher Barbetrag zur persönlichen Verfügung zusteht.
Der am 00.00.1940 geborene Kläger leidet an einer chronifizierten Psychose. Das Amtsgericht N hat zuletzt mit Beschluss vom 27.07.2006 die bereits bestehende gesetzliche Betreuung für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung sowie Vermögenssorge verlängert. Der Kläger verfügte im Juni 2008 über Einkommen in Gestalt einer gesetzlichen Altersrente i.H.v. monatlich 879,11 EUR (einschließlich Zuschuss für Krankenversicherung von 56,75 EUR).
Der Kläger ist seit 1994 stationär untergebracht. Die Kosten der stationären Unterbringung (einschließlich der Hilfen zum Lebensunterhalt) trug zunächst der Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Im Dezember 2004 berücksichtigte er im Rahmen der Leistungserbringung einen Zusatzbarbetrag i.S.v. § 21 Abs. 3 Satz 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.H.v. 29,78 EUR.
In der Zeit von Januar 2006 bis März 2008 bestritt der Kläger seinen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der stationären Unterbringung aus von ihm zuvor gerichtlich durchgesetzten Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen (i.H.v. etwa 80.000,00 EUR). Sozialhilfeleistungen bezog er während dieser Zeit nicht.
Mit Antrag vom 28.01.2008 beantragte der Kläger durch seinen Betreuer (erneute) Sozialhilfeleistungen. Er gab an, sein Vermögen bis auf das ihm zustehende Schonvermögen verbraucht zu haben. Er legte ärztliche Atteste des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N aus S vom 23.05.2006 sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. I aus S vom 10.11.1993 vor, ausweislich derer wegen einer paranoid-halluzinatorischen Psychose die weitere (stationäre) Unterbringung in einem Wohnheim erforderlich sei.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger nach Ermittlung der Vermögensverhältnisse mit Bescheid vom 22.07.2008 (Blatt 127 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (VA)) Eingliederungshilfe in Einrichtungen ab dem 01.03.2008. Dabei errechnete er einen vom Kläger zu erbringenden monatlichen Einkommenseinsatz von 743,35 EUR sowie einen einmaligen Vermögenseinsatz für den Monat März 2008 i.H.v. 778,02 EUR. Zur Sicherung seines notwendigen Lebensunterhalts gewährte sie dem Kläger gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung von 93,96 EUR für den Zeitraum März bis Juni 2008 sowie ab 01.07.2008 von 94,77 EUR. Diesen Bescheid hob der Beklagte später in einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27.09.2010 auf. Mit weiterem Bescheid ebenfalls vom 22.07.2008 (Blatt 137 VA) bewilligte er dem Kläger wiederum Eingliederungshilfe in Einrichtungen; nunmehr errechnete er für den Monat März 2008 einen einmaligen Vermögenseinsatz von 34,67 EUR.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, vor dem Erbfall sei ihm neben dem Grundbarbetrag ein Zusatzbarbetrag von 29,78 EUR zuerkannt worden, so dass er monatlich insgesamt 123,47 EUR zur freien Verfügung gehabt habe. Ein solcher Zusatzbarbetrag stehe ihm weiterhin zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Wortlaut des § 133a SGB XII sei davon auszugehen, dass nach einem Wegfall der Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 S. 4 BSHG der Anspruch auf einen Zusatzbarbetrag endgültig verloren sei. Dies folge aus der gesetzlichen Verwendung des Wortes "weiter" vor "erbracht"; hierdurch komme zum Ausdruck, dass es sich um einen zusammenhängenden Leistungszeitraum handeln müsse. Werde jedoch die Leistung unterbrochen, bleibe für einen späteren Anspruch auf einen zusätzlichen Barbetrag wie nach früherem Recht kein Raum mehr. Dies gelte umso mehr, als...