nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.06.2001; Aktenzeichen S 29 VG 19/01)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.03.2004; Aktenzeichen B 9 VG 5/02 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1951 geborene Klägerin streitet um die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz -OEG-) in Verbindung mit dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz -BVG-) im Überprüfungsverfahren nach § 44 Absatz (Abs.) 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) wegen eines sog. Schockschadens.

Die Klägerin ist Mutter ihrer am 29.10.1980 geborenen und am 11.04.1998 getöteten Tochter N ... W ... Die Klägerin hatte das Sorgerecht für N ..., während das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Jugendamt der Stadt S ... oblag (Amtsgericht S ..., Urteil 16 F 524/85 und Beschluss 8 VIII 38746 jeweils vom 15.01.1987). Ab November 1988 war N ... im Kinderheim F ... Ende 1997 zog sie zu dem am 24.02.1964 geborenen P ... W ... Dieser hatte zwölf Vorstrafen wegen verschiedener Eigentumsdelikte, schwerer Brandstiftung, Bedrohung und Nötigung sowie vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung, zuletzt wegen Körperverletzung zum Nachteil von N ... Eine Haftstrafe war zur Bewährung ausgesetzt. In der Nacht zum 13.02.1998 prügelte er N ... zum wiederholten Male und warf sie aus der gemeinsamen Wohnung. Seitdem wohnte N ... in der Notschlafstelle Hermannstraße der Stadt S ... Der Leiter der Notschlafstelle, B ..., zeigte an, dass P ... W ... N ... dort am 23.03.1998 nach deren Angaben geschlagen, Poster von der Wand gerissen und eine Wasserflasche ausgeschüttet hatte. N ... W ... erbat am 31.03.1998 vom Jugendamt die Genehmigung, mit vier Freunden, deren Namen sie sich ausgedacht hatte, ab 02.04.1998 zum Urlaub nach Frankreich zu fahren. Sie versicherte, P ... W ... werde nicht mitkommen. Tatsächlich reiste sie am 10.04.1998 mit P ... W ... und dessen beiden Brüdern W ... und M ... W ... sowie dem gemeinsamen Freund T ... M ... an die Atlantikküste nach Frankreich (Gemeinde H ... s ... M ...). M ... und W ... W ... nächtigten dort im VW-Bus des W ..., während T ... M ..., N ... W ... und P ... W ... im einem Zelt übernachteten. P ... W ... lieh sich vor dem Schlafengehen von seinem Bruder W ... ein Messer mit einer ca. 30 cm langen Klinge, angeblich, um sich im Falle eines Überfalles verteidigen zu können. Am frühen Morgen des 11.04.1998 entfernte sich T ... M ... vom Schlafplatz, um nach Hause zu fahren. P ... W ... tötete N ... durch Stiche mit dem Messer seines Bruders. Er gab bei der ersten Einvernahme am Morgen des 11.04.1998 an, gegen 7.00 Uhr sei N ... aufgewacht und habe ihn von M ... Verschwinden in Kenntnis gesetzt. Er habe sich ohne besonderen Grund mit ihr gestritten, die Kontrolle über sich verloren und mit dem Messer auf sie eingestochen. Der Obduktionsbefund vermerkte neun Messerstiche. Am Abend des 11.04.1998 informierten Kriminaloberkommissar D ... und Kriminalkommissar M ... die Klägerin über den Tod ihrer Tochter. Die Ermittlungsbehörden in Frankreich und Deutschland vernahmen die Zeugen W ... und M ... W ..., T ... M ..., D ... V ..., G ... I ..., H ... W ..., J ... B ... und M ... S ... Das Schwurgericht S ...-M ... verurteilte Peter W ... wegen vorsätzlicher Tötung von N ... W ... zu einer Zuchthausstrafe von 18 Jahren (Urteil vom 03.11.2000).

Am 02.05.1998 beantragte die Klägerin Versorgung nach dem OEG, da sie durch die Nachricht von der Ermordung ihrer Tochter seelisch leide. Das Versorgungsamt lehnte es ab, Versorgung nach dem OEG zu gewähren (Bescheid vom 07.09.1998). Zur Begründung führte es aus, es fehle an der erforderlichen Nähe (unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang) zwischen Schädigungstatbestand (gewaltsame Tötung der Tochter) und Schaden (psychische Beeinträchtigung der Klägerin).

Am 17.03.2000 begehrte die Klägerin, den Bescheid vom 07.09.1998 nach § 44 SGB X zu überprüfen. Sie machte geltend, sie habe durch die Nachricht von der Ermordung ihrer Tochter einen Schockschaden in Gestalt einer dauernden psychischen Gesundheitsstörung erlitten. Sie verweise auf das Attest von Dr. S ... (10.03.2000). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.1979 (BSGE 49, 98 ff.) bilde die Nachrichtenübermittlung an den nahen Angehörigen von einem besonders schrecklichen Geschehen eine natürliche Einheit mit dem Gewaltvorgang. Die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette höre daher erst dort auf, wo sich der Angriff auf die Psyche auswirke. Das sei in Deutschland gewesen. Das Versorgungsamt holte ein Gutachten von Dr. W ... (28.07.2000) ein und lehnte es ab, den Bescheid vom 07.09.1998 zurückzunehmen (Bescheid vom 10.11.2000). Zur Begründung führte es aus, da die Gewalttat nicht im Inland erfolgt sei, könne das OEG nicht ...

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