Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarkürzung gemäß § 95d Abs 3 S 3 SGB 5. Erfordernis einer Mindestanzahl an Fortbildungspunkten nach der betreffenden Fortbildungsordnung (hier: Fortbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe). keine Übertragung "überschüssiger" Fortbildungspunkte auf den nächsten Fortbildungszeitraum. Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung gemäß § 95d Abs 3 S 3 SGB 5.

2. Alle bis zur Beantragung des Fortbildungszertifikats erworbenen Fortbildungspunkte fließen in das Fortbildungszertifikat ein und verlieren damit ihre Anrechenbarkeit auf weitere Fortbildungszertifikate nach der betreffenden Fortbildungsordnung, dh eine Übertragung "überschüssiger" Fortbildungspunkte auf den nächsten Fortbildungszeitraum ist nicht möglich.

3. Die Löschung "alter Punkte" entspricht dem Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht für Ärzte, eine kontinuierliche, auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand beruhende Weiterbildung der tätigen Ärzte sicherzustellen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund vom 15. Mai 2019 geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig im Berufungsrechtszug auf 38.860,61 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Kürzung des vertragsärztlichen Honorars in den Quartalen I/2015 bis IV/2015 aufgrund eines durch den Kläger verspätet vorgelegten Fortbildungsnachweises.

Der 1949 geborene Kläger nimmt seit 1982 ununterbrochen als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung in X (Kreis C) teil, seit 2019 nicht mehr in eigener Praxis, sondern im Angestelltenverhältnis. Von 2000 bis 2015 war er zudem als Leiter der Bezirksstelle N 2 für die Beklagte ehrenamtlich tätig.

Im vorangegangenen Nachweiszeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2009 nahm der Kläger in einem Umfang an Fortbildungsveranstaltungen teil, dass seinem Punktekonto bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) 494 Fortbildungspunkte gutgeschrieben wurden. Ein Fortbildungszertifikat, welches die Beklagte als Fortbildungsnachweis für diesen Nachweiszeitraum verlangte, beantragte er im April 2011. Es wurde am 4. April 2011 ausgestellt. In diesem wird darauf verwiesen, dass es für fünf Jahre gilt und am 3. April 2016 seine Gültigkeit verliert. Die Beklagte beendete daraufhin die damals seit dem 4. Quartal 2009 vorgenommene und durch den Kläger nicht beanstandete Honorarkürzung mit Abschluss des Quartals II/2011. Zugleich verwies sie darauf, dass der nächste Nachweis am 30. Juni 2014 fällig wird (Schreiben vom 2. November 2011).

Zum nächsten Fortbildungsnachweisstichtag am 30. Juni 2014 waren dem Kläger auf seinem Punktekonto bei der ÄKWL nach deren Auskunft 163 anrechenbare Fortbildungspunkte gutgeschrieben, die nach dem 4. April 2011 (Ausstellung des vorangegangenen Fortbildungszertifikates) erworben worden sind.

Mehrfach forderte die Beklagte den Kläger im Zeitraum von Juli 2013 bis Mai 2014 (Schreiben vom 1. Juli 2013, aus März 2014 und vom 7. Mai 2014) auf, für den streitgegenständlichen Nachweiszeitraum ein Fortbildungszertifikat der ÄKWL zu beantragen und bis zum 30. Juni 2014 vorzulegen. In den jeweiligen Schreiben wies sie auf die bei Nichtbeachtung drohende Honorarkürzung hin. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2014, dem Kläger am 10. Oktober 2014 per Einschreiben mit Rückschein zugegangen, kündigte die Beklagte sodann die Honorarkürzung nach § 95d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an, da das Fortbildungszertifikat noch nicht vorliege.

Am 3. November 2014 wurde der Beklagten ein Auszug aus dem Punktekonto des Klägers übersandt, aus dem sich die besuchten Fortbildungsveranstaltungen und die erworbenen Fortbildungspunkte ab dem 1. Februar 2004 ersehen lassen. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass das Fortbildungskonto (Stand: 20. November 2014) 134 Fortbildungspunkte aufweise. Weitere Fortbildungspunkte seien nicht anrechenbar, da sie durch das Fortbildungszertifikat vom 4. April 2011 bereits berücksichtigt wurden (Schreiben vom 11. Dezember 2014).

Wegen der verspäteten Vorlage des Fortbildungsnachweises kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers weiterhin in folgendem Umfang:

Quartal

Bescheid vom

Kürzung

in %

Kürzung

in EUR

Widerspruch vom

III/2014

24. Januar 2015

10%

4.903,51 EUR

27. Februar 2015

IV/2014

23. April 2015

10%

5.399,83 EUR

25. Mai 2015

I/2015

22. Juli 2015

10%

5.589,41 EUR

25. August 2015

II/2015

21. Oktober 2015

10%

5.336,23 EUR

23. November 2015

III/2015

23. Januar 2016

25%

13.565,39 EUR

25. Februar 2016

IV/2015

23. April 2016

25%

14.369,58 EUR

24. Mai 2016

Summe

49.163,95 EUR

streitig

38.860,61 EUR

Gegen diese Bescheide sowie gegen die quartalsweisen Abrechnungsbescheide legte der Kläger jeweils fristgerecht Widerspruch ein (Widersprüche vom 27. Februar, 25. Mai, 25. August, 23. November 2015, 25. Februar und 24. Mai 2016). Über d...

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