Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Säumniszuschlägen für nachgeforderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge
Orientierungssatz
1. Wird eine Forderung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, so ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht hatte.
2. Eine juristische Person des Privatrechts muss sich die Kenntnis ihrer Funktionsträger zurechnen lassen. Dies gilt auch, wenn diesen ein Organisationsverschulden bei der Kontrolle und Überwachung der Mitarbeiter vorzuwerfen ist. Werden regelmäßig Controllingmaßnahmen durchgeführt, ist ein Organisationsverschulden ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. Juni 2008 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 14.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 wird aufgehoben, soweit der Klägerin darin Säumniszuschläge in Höhe von 12.259,55 EUR auferlegt werden. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Säumniszuschlägen (SZ) für nachgeforderte Gesamtsozialversicherungsbeiträge.
Die Klägerin gehört zu einer Firmengruppe, die sich aus einem ursprünglichen Familienunternehmen entwickelt hat und seit vielen Jahren von N N, u. a. geschäftsführender Gesellschafter der Komplementärin der Klägerin, der L. M. B. N Verwaltungs- GmbH, geleitet wird. Die Gesellschaftsanteile der Klägerin hat N N im Jahre 1985 erworben. Es war von Anfang geplant, dass sein Schwager U L, der das auf den Verkauf und die Reparatur von Uhren im oberen Preissegment spezialisierte Ladenlokal in C führte, die Gesellschaftsanteile übernehmen werde. Ohne dass es dazu letztlich kam und ohne dass zumindest eine Eintragung als Geschäftsführer in das Handelsregister erfolgte, oblag U L die Verantwortung für das Ladenlokal in C einschließlich der Entscheidungen über die Einstellung und Entlassung von Personal. Die Buchhaltung und weitere Personalverwaltung erfolgten jedoch in der Zentrale der Firmengruppe in C1. Im Rahmen von EDV-gesteuerten routinemäßigen Plausibilitätsüberprüfungen, denen alle Geschäftsbereiche unterworfen waren, fielen bezüglich der Klägerin Ende 2005 Unregelmäßigkeiten im Umlaufvermögen auf, die den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH veranlassten, eine Zeitlang die Buchführung der Klägerin in C1 parallel "mitschreiben" zu lassen. Im Rahmen dieser Kontrolle wurden weitere Vorfälle mit erhöhtem Erklärungsbedarf entdeckt. Nachdem der Leiter des Ladenslokals in C, U L, keine akzeptablen Erklärungen vorbringen konnte, veranlasste der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH eine umfassende betriebswirtschaftliche Kontrolle der Klägerin unter Einbeziehung von Vergleichsberechnungen anderer Unternehmensteile. Mit dem Ergebnis konfrontiert, machten der Leiter des Ladenlokals in C, seine Ehefrau, die Schwester des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, und die bei der Klägerin in Teilzeit beschäftigte Büromitarbeiterin D L dennoch keine wahrheitsgemäßen Angaben. Nach ersten Gesprächen mit dem Finanzamt und der Staatsanwaltschaft C1 erstattete N N Selbstanzeige und führte im Ladenlokal C der Klägerin weitere betriebliche Ermittlungen durch. Am 09.02.2006 sprach er u. a. seinem Schwager U L gegenüber die fristlose Kündigung des bestehenden Angestelltenverhältnisses aus. Als Ergebnis einer strafprozessualen Durchsuchung im Hause L und in den Betriebsräumen der Klägerin wurden eine "schwarze Kasse" und ein "schwarzes" Kassenbuch aufgefunden. Es ließ sich rekonstruieren, dass U L im Zeitraum 2000 bis 2005 offensichtlich in einer Größenordnung von ca. 3 bis 3,5 % des Umsatzes der Klägerin Gelder unterschlagen und darüber in dem "schwarzen" Kassenbuch Aufzeichnungen durch die Mitarbeiterin L hatte führen lassen. Deren Befragung stützte den Verdacht, dass U L an diese ca. 1.000,00 EUR monatlich in bar ausgezahlt hatte; es ließ sich nicht klären, ob damit zusätzliche Arbeitsstunden der Mitarbeiterin L im Hinblick auf die "schwarze" Buchführung abgegolten werden sollten oder ob es sich bei den Zahlungen ganz oder teilweise um "Schweigegeld" gehandelt hatte.
Mit dem Finanzamt C1-Mitte schloss der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin nach Abschluss der Ermittlungen am 20.07.2006 eine sog. "tatsächliche Verständigung" zur Vereinfachung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens. Zugrunde gelegt wurden bei fortbestehenden Unsicherheiten über die Höhe der bisher nicht versteuerten und von dem Leiter des Ladenlokals in C, U L, entwendeten Einnahmen aus dem Unternehmen für das Jahr 2000 100.000,00 EUR, für 2001 125.000,00 EUR, für 2002 175.000,00 EUR, für 2003 200.000,00 EUR, für 2004 250.000,00 EUR und für 2005 350.000,00 EUR. Die u. a. nachzuentrichtende Umsatzsteuer belief sich auf insgesamt 165.517,24 EUR. Zugleich gingen die Partner der "t...