Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. interkurrente Behandlung. allgemeine Krankenhausleistung. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Interkurrente Behandlungen (hier: ambulante Vorstellungen einschließlich Arzneimittelverordnungen) während einer stationären Behandlung sind ausschließlich mit den bereits vereinbarten Pflegesätzen zu vergüten und sind im Gegensatz zur Dialyse nicht aus den allgemeinen Krankenhausleistungen herauszunehmen.

2. Für die verauslagten Arzneimittelkosten hat die Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und muss diesen nicht gegen die beteiligte Apotheke geltend machen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.11.2013; Aktenzeichen B 1 KR 22/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.12.2010 abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.442,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.07.2007 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse nimmt den beklagten Landschaftsverband auf Zahlung von 21.442,42 Euro in Anspruch.

Die bei der Klägerin gegen das Risiko Krankheit versicherte N. (im Folgenden: Versicherte) leidet unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit Suizidalität, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer dissoziativen Störung sowie unter einer schweren pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH). Bereits in der Vergangenheit wurde die Versicherte in dem beigeladenen Universitätsklinikum (Medizinische Klinik II - Pneumologische Ambulanz) ambulant wegen der bestehenden PAH behandelt. Nachdem sich bei der Versicherten die psychiatrischen Erkrankungen eingestellt hatten, erfolgten seit Juni 2003 fast durchgängig stationäre Behandlungen in den S Kliniken C, einem Krankenhaus des Beklagten. Die S Kliniken C verfügen über Fachabteilungen für Neurologie, Allgemeine Psychiatrie (voll- und teilstationär), Kinder- und Jugendpsychiatrie (voll- und teilstationär), Sprachheilbehandlung sowie über ein kinderneurologisches Zentrum.

Während ihrer stationären Aufenthalte vom 07.12.2004 bis 23.08.2005 und vom 07.12.2005 bis 14.12.2005 stellte sich die Versicherte am 06.01.2005, 07.04.2005, 09.05.2005, 06.06.2005, 04.07.2005, 03.08.2005 und 12.12.2005 in der Medizinischen Klinik II des Beigeladenen (pneumologische Ambulanz) vor. Anlässlich ihrer ambulanten Behandlungen verordnete der Oberarzt Dr. T. der Versicherten - wie bereits auch schon vor den stationären Behandlungen in den S Kliniken C - das Fertigarzneimittel Tracleer® (Wirkstoff: Bosentan). Hierfür wandte die Klägerin nach Einlösung der Verordnungen in Apotheken insgesamt 21.442,42 Euro auf. Tracleer® wurde im beschleunigten Verfahren europaweit für das Anwendungsgebiet PAH zugelassen. In der Fachinformation ist unter "Warnhinweise" u.a. vermerkt, dass die Behandlung mit Tracleer® nur geeignet für die Behandlung in speziellen Kliniken, Instituten oder bei niedergelassenen Fachärzten mit besonderen Erfahrungen sei.

Auf eine Anfrage der Klägerin teilte der Beigeladene unter dem 04.10.2006 mit, dass eine Behandlung der Versicherten theoretisch auch ambulant möglich sei. Aufgrund der schweren psychiatrischen Erkrankung seien jedoch langfristige stationäre Aufenthalte erforderlich geworden. Die Versicherte werde durch die Medizinische Klinik des Beigeladenen ambulant im Rahmen von konsiliarischen Vorstellungen mit betreut. Ein Aussetzen der Medikation in der stationären Behandlung würde zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Die Klägerin wandte sich daraufhin an den Beklagten und teilte mit, dass zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter mit Ausnahme der Dialyse gehörten. Die fälschlicherweise zu ihren Lasten veranlassten, nachstehend spezifizierten Leistungen i.H.v. 21.442,42 Euro fordere Sie hiermit zurück (Schreiben vom 19.10.2006). Der Beklagte lehnte einen Ausgleich ab und führte aus, dass sich die Versicherte bereits vor dem ersten stationären Aufenthalt in ambulanter Behandlung der pneumologischen Ambulanz des Beigeladenen befunden habe. Schon während dieser Behandlungsperiode sei die Versicherte auf Tracleer® eingestellt worden. Im Hinblick auf den streitigen Zeitraum sei er davon ausgegangen, dass die ungewöhnlich hohen Therapiekosten mit der Klägerin abgesprochen gewesen seien. Zudem sei das Präparat stets nur von spezialisierten Abteilungen bzw. von dazu ermächtigten Fachärzten rezeptierbar gewesen. Bezogen auf den Tagessatz einer psychiatrischen Klinik wäre die Übernahme von Arzneimittelkosten in der hier gegebenen Höhe unverhältnismäßig (Schreiben vom 13.12.2006).

Mit der am 03.07.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin ihre Forderung auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt und die Ansicht vertreten, dass die aufgewandten Arzneimittelkosten bereits über die allg...

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