Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. vollstationäre Krankenhausbehandlung. Verbot vertragsärztlicher Parallelbehandlung (hier: Arzneimittelversorgung). Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhausträger

 

Orientierungssatz

1. Die Erstattungsregelung nach § 69 S 3 SGB 5 iVm § 280 Abs 1 BGB verdrängt in entsprechender Anwendung den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, wenn ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse aufgrund der Verletzung einer Pflicht bei der Behandlung eines Versicherten aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis gegen ein Krankenhaus in Betracht kommt.

2. Zu den Pflichten des Krankenhausträgers während einer stationären Behandlung des Versicherten gehört es, sicherzustellen, dass der Versicherte während der stationären Behandlung nicht zu Lasten der Krankenkasse vertragsärztlich mit Arzneimitteln versorgt wird.

3. Eine Pflichtverletzung kommt in Betracht, wenn das Krankenhaus den verordnenden Vertragsarzt des Patienten dazu veranlasst, dem Versicherten die während der stationären Behandlung erforderlichen Arzneimittel vertragsärztlich zu verschaffen.

4. Ohne konkrete Anhaltspunkte besteht für den behandelnden Vertragsarzt keine Nachfragepflicht zum Bestehen einer stationären Behandlung (vgl LSG Mainz vom 3.3.2016 - L 5 KA 41/14; ähnlich SG Hannover vom 17.9.2014 - S 71 KA 193/11).

5. Unterlässt es der Krankenhausträger, seine Kostenverantwortung für die Versorgung mit Arzneimitteln während der stationären Behandlung sicherzustellen, so handelt er zumindest fahrlässig iS von § 276 Abs 2 BGB.

6. Als professionellem Systembeteiligten muss einem Krankenhausträger das Verbot vertragsärztlicher Parallelbehandlung ebenso bekannt sein wie sich die Notwendigkeit aufdrängen, dass es ihm bei Einschaltung Dritter in seine vollstationäre Leistungserbringung obliegt, seine Gesamtverantwortung deutlich zu machen (vgl BSG vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R = BSGE 115, 11 = SozR 4-2500 § 69 Nr 9 RdNr 13).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.12.2010 geändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.442,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.07.2007 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 21.442,42 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines während stationärer Behandlung verordneten Fertigarzneimittels.

Die in Trägerschaft des Beklagten stehenden Rheinischen Kliniken C (Fachabteilung Psychiatrie und Psychotherapie) behandelten die am 00.00.1974 geborene, bei der klagenden Krankenkasse versicherte O (im Folgenden: Versicherte) stationär wegen rezidivierender depressiver Störung mit Suizidalität, posttraumatischer Belastungsstörung und dissoziativer Störung u.a. vom 07.12.2004 bis 23.08.2005 und vom 07. bis 14.12.2005. Die Pneumologische Ambulanz des beigeladenen Universitätsklinikums (im Folgenden: der Beigeladene) behandelte die Versicherte in dieser Zeit zugleich wegen einer schweren pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) am 06.01., 07.04., 09.05., 06.06., 04.07., 03.08. und 12.12.2005. Er verordnete der Versicherten vertragsärztlich - wie bereits auch schon vor den stationären Behandlungen im Krankenhaus des Beklagten - das im beschleunigten Verfahren europaweit für das Anwendungsgebiet PAH zugelassene Fertigarzneimittel Tracleer (Wirkstoff: Bosetan). Es ist nach den Warnhinweisen in der Fachinformation nur geeignet zur Behandlung in speziellen Kliniken, Instituten oder bei niedergelassenen Fachärzten mit besonderen Erfahrungen. Die Klägerin zahlte den abgebenden Apotheken für das Arzneimittel eine Vergütung in Höhe von EUR 21.442,42.

Der Prüfungs- und Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein setzten deswegen gegen den Beigeladenen (mit Bescheid vom 07.03.2007; Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007) für die Quartale 3 und 4/2005 einen Regress in Höhe von EUR 9.740,48 netto fest, der auch bereits vorläufig durch den Beigeladenen beglichen wurde (vgl. hierzu das unter dem Aktenzeichen S 33 KA 187/07 vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) anhängige, derzeit ruhend gestellte Verfahren).

Das SG hat die auf Erstattung von EUR 21.442,42 gerichtete Klage (mit Urteil vom 09.12.2010) abgewiesen. Der erkennende Senat hat den Beklagten auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin (mit Urteil vom 19.01.2012, Aktenzeichen: L 5 KR 14/11) - unter Zulassung der Revision - zur antragsgemäßen Zahlung verurteilt: Der Klägerin stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Der Beklagte habe die Versorgung der Versicherten mit Tracleer, die über den allgemeinen Pflegesatz abgegolten sei, durch einen Dritten veranlasst. Der Beklagte habe dadurch Aufwendungen in Höhe der Vergütung erspart, die die Klägerin den das Arzneimittel abgebenden Apotheken gezahlt habe.

Auf die Revis...

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