Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts als Mehrbedarf

 

Orientierungssatz

1. Bei den Aufwendungen eines Elternteils zur Ausübung des Umgangsrechts handelt es sich um einen laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen, unabweisbaren Bedarf i. S. des § 21 Abs. 6 S. 1, S. 2 SGB 2.

2. Die grundsicherungsrechtlich angemessene Höhe eines Mehrbedarfs, d. h. einer Härteleistung für die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts ist nach der kostengünstigsten und verhältnismäßigen sowie zumutbaren Art der Bedarfsdeckung im Einzelfall zu bestimmen (BSG Urteil vom 18. 11. 2014, B 4 AS 4/14 R).

3. Auf die Kilometerpauschale 0,20 €./km kann bei einem tatsächlich zu deckenden Bedarf zurückgegriffen werden. Die Pauschalierung ist sowohl ein geeignetes Instrument zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand, als auch bietet sie Planungssicherheit für den Leistungsberechtigten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.09.2017; Aktenzeichen B 4 AS 243/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung höherer Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts.

Der 1978 geborene Kläger erhält seit geraumer Zeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er ist geschieden und lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1986 geborenen Partnerin und deren 2004 und 2014 geborenen Töchtern. Ihm wurden durch Bescheid vom 01.07.2014 und Änderungsbescheid vom 09.01.2015 Leistungen als Vorschuss für die Monate Juli bis Dezember 2014 und endgültig durch Bescheid vom 10.03.2015 für die Zeit von Juli bis Dezember 2014 bewilligt. Aus seiner früheren Ehe hat der Kläger zwei Kinder, Jahrgang 2003 und 2005, die mit der geschiedenen Ehefrau in L wohnen. Zwischen ihm und der Kindesmutter besteht eine Umgangsregelung, wonach er einmal monatlich am Wochenende und gesondert in den Ferien Umgang mit den Kindern hat. Dazu holt er die Kinder jeweils in L ab und bringt sie nach den Besuchsterminen wieder dorthin zurück.

Am 26.09.2014 beantragte er beim Beklagten die Gewährung von Mehrbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts und teilte die Besuchstermine im Dezember wie folgt mit: 27./28.06.2014; 27.07. bis 17.08.2014 (Sommerferien), 28.08. bis 31.08.2014, 26.09. bis 28.09.2014, 24.10.2014 bis 26.10.2014 sowie 29./30.11.2014.

Mit Bescheid vom 09.01.2015 bewilligte der Beklagte die Übernahme der Fahrtkosten in Höhe von 921,60 EUR für den Zeitraum Juni 2014 bis Dezember 2014. Dabei berücksichtigte er für die 6 Termine jeweils 4 Fahrten mit je 192 Kilometern à 0,20 EUR. Mit seinem Widerspruch beanstandete der Kläger, der Beklagte berücksichtige zu Unrecht nur die einfache Strecke, zudem sei die Kilometerpauschale von 0,20 Euro zu gering. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2015 als unbegründet zurück.

Mit seiner hiergegen am 26.06.2015 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kilometerpauschale sei zu niedrig. Sie decke nicht sämtliche mit der PKW-Nutzung zusammenhängenden Kosten wie z.B. Versicherung, Reparatur, Verschleiß, ggf. Neuanschaffung, Treibstoffkosten, Steuern und Ähnliches. Der PKW müsse erhalten bleiben, um den Umgang weiterhin ausüben zu können.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 09.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 hinsichtlich der seitens des Beklagten für die Fahrtkostenerstattung als Berechnungsgrundlage zugrundegelegten Kilometerpauschale von 20 Cent pro Kilometer aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die Fahrtkostenerstattung als Berechnungsgrundlage für die Kilometerpauschale einen Betrag von mindestens 30 Cent pro Kilometer zugrundezulegen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 06.09.2016 abgewiesen. Der Kläger habe für die Zeit von Juni 2014 bis November 2014 keinen Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts. Anspruchsgrundlage sei § 21 Abs. 6 S. 1, S. 2 SGB II. Bei den Aufwendungen eines Elternteils zur Ausübung des Umgangsrechts handele es sich um einen laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen, unabweisbaren Bedarf. Der Beklagte habe zu Recht für jeden tatsächlich zurückgelegten Kilometer die Pauschale iHv 0,20 EUR angesetzt. Der Kläger könne nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Zwar koste die Fahrt mit dem Auto bei 4 Fahrten x 192 Km = 758 km x 0,20 Cent = 153,60 EUR und liege damit über den Kosten für die Fahrt mit der Bahn (125 EUR pro Wochenende bei Nutzung eines Schöner-Wochenende, NRW- und Rheinland-Pfalz-Tickets). Die schnellste Verbindung für eine Fahrt im Nahverkehr dauere aber verbunden mit viermaligem Umsteigen wenigstens 4:19 Stunden, die PKW-Fahrt hingegen nur ca. 2:24 St...

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