Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Nordrhein-Westfalen. Begrenzung der Unterkunftskosten bei nicht erforderlichem Umzug auf bisherigen Bedarf. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Erkenntnisausfall
Orientierungssatz
Der Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug auf den bisherigen Unterkunftsbedarf gemäß § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 in der ab 1.8.2016 geltenden Fassung steht nicht entgegen, dass der Grundsicherungsträger im strittigen Zeitraum über kein schlüssiges Konzept zur Berechnung der angemessenen Unterkunftskosten verfügt. Die entsprechende Rechtsprechung des BSG zu § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R = BSGE 119, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 84 und vom 17.2.2016 - B 4 AS 12/15 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 88) ist auf die zum 1.8.2016 in Kraft getretene Fassung der Norm nicht mehr anwendbar.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.12.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Deckelung der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum November 2018 bis Februar 2019 gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der ab dem 01.08.2016 gültigen Fassung.
Die 1958 geborene Klägerin bewohnte vor dem streitigen Zeitraum eine Mietwohnung in der A-Straße 1 in U. Die Kosten der Unterkunft betrugen zuletzt monatlich 328,26 EUR (Nettomiete 220,68 EUR, Betriebskostenabschläge 107,58 EUR) zuzüglich Heizkostenabschlägen i.H.v. 65 EUR (insgesamt 393,26 EUR). Zum November 2018 zog die Klägerin in eine andere Mietwohnung desselben Stadtteils in der R-Straße 2, ebenfalls in U. Hierfür fielen Kosten in Höhe von monatlich 384,71 EUR (Grundmiete 269,71 EUR, Betriebskosten 115 EUR) und Heizkostenabschläge, erstmals zu zahlen im Dezember 2018, in Höhe von 60 EUR an (insgesamt 444,71 EUR).
Der Beklagte bewilligte der ab März 2017 (wieder) im SGB II-Leistungsbezug stehenden Klägerin für den Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Wohnung in der A-Straße (Bescheid vom 13.02.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17.04.2018 und 23.05.2018).
Einen Antrag der Klägerin aus dem Juli 2018 auf Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft in der R-Straße lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 23.07.2018; Widerspruchsbescheid vom 06.08.2018).
Nachdem die Klägerin im September 2018 den Mietvertrag für die neue Unterkunft übersandte, erließ der Beklagte unter dem 08.10.2018 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2018) für den streitgegenständlichen Zeitraum, für den der Beklagte über kein "schlüssigen Konzept" zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen für Kosten der Unterkunft und Heizung verfügt, einen Änderungsbescheid; die Höhe der bewilligten Leistungen, einschließlich der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, verblieb gleich.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.11.2018). Der Beklagte vertrat die Auffassung, nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II seien Kosten der Unterkunft und Heizung nur in bisheriger Höhe zu berücksichtigen.
Am 20.11.2018 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben. Der Umzug sei zur besseren Erreichbarkeit von Ärzten und Geschäften des täglichen Lebens erforderlich gewesen. Eine Deckelung auf die bisherigen Kosten sei nach der Rechtsprechung des BSG vom 29.04.2015 (B 14 AS 6/14 R) in Ermangelung eines schlüssigen Konzeptes ohnehin nicht zulässig. Die Kosten der neuen Unterkunft seien unter Zugrundelegung der Wohngeldtabelle bei einer Mietobergrenze von 386,10 EUR angemessen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr in Abänderung des Bescheides vom 13.02.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.10.2018, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2018, einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Kosten für den Zeitraum vom 01.11.2018 bis 28.02.2019 zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bereits die vormals bewohnte Wohnung sei zentral gelegen und gut angebunden gewesen. Durch die Streichung des Wortes "angemessen" in § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II komme es für dessen Anwendbarkeit nicht mehr darauf an, ob eine abstrakte Angemessenheitsgrenze ermittelt worden sei. Die Argumentation des BSG in der klägerseitig angeführten Entscheidung habe keine Grundlage mehr.
Mit Urteil vom 05.12.2019 hat das SG die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung seien nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II zu deckeln. Der Umzug sei nicht erforderlich. Der Weg der Klägerin zu Geschäften mit Bedarfen des täglichen Lebens habe sich lediglic...