Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. stationäre Liposuktion. keine Erfüllung der Voraussetzungen der Qualitätssicherungs-Richtlinie Liposuktion (juris: QLipRL). Patientin mit einem BMI von über 44 kg/m² ohne konsequente Adipositasbehandlung. zu den Voraussetzungen für einen Anspruch gem § 137c Abs 3 SGB 5 auf Versorgung mit stationärer Liposuktion als Potentialleistung nach Erlass der QLipRL. jedenfalls kein solcher Anspruch bei noch bestehender Verfügbarkeit von Standardtherapie

 

Orientierungssatz

1. Bei einem BMI von über 44 kg/m² und nicht ersichtlicher konsequenter Behandlung der Adipositas besteht kein Anspruch gem § 4 QLipRL auf Versorgung mit stationärer Liposuktion.

2. Versicherte haben auch nach Erlass einer Erprobungs-Richtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen grundsätzlich nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Erfüllung einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind (vgl BSG vom 10.11.2022 - B 1 KR 28/21 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und BSG vom 18.8.2022 - B 1 KR 29/21 R - RdNr 19).

3. Aus Sicht des erkennenden Senates spricht Überwiegendes dafür, dass eine schwerwiegende Erkrankung im vorgenanntem Sinne bei der Patientin besteht.

4. Ein Anspruch aus Versorgung mit einer Potentialleistung besteht jedoch unabhängig davon im konkreten Fall nicht, da zur Behandlung der Patientin noch Standardmethoden zur Verfügung stehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.03.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Versorgung der Klägerin mit einer stationären Liposuktionsbehandlung der Beine im Streit.

Die am 00.00.1976 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. In der Vergangenheit wurden bei der Klägerin stationäre Aspirationslipektomien an beiden Unter- und Oberschenkeln (2002 bis 2004) und an den Armen (2006, 2009) sowie eine Lymphosuktion an beiden Ober- und Unterschenkeln (2011) durchgeführt. Einen Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine erneute stationäre Aspirationslipektomie (Liposuktion) lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19.07.2011, Widerspruchsbescheid vom 08.08.2012); eine insoweit bei dem Sozialgericht Köln erhobene Klage (S 34 KR 677/12) nahm die Klägerin zurück (Sitzungsniederschrift vom 11.03.2014). Einen weiteren Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine ambulante Aspirationslipektomie beider Oberschenkel und Oberarme sowie Oberarmhautstraffung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 30.07.2014, Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014). Eine insoweit vor dem Sozialgericht Köln erhobene Klage (S 34 KR 1019/14) wies das Sozialgericht ab (Gerichtsbescheid vom 23.05.2015). Eine hiergegen bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erhobene Berufung (L 16 KR 465/16) endete durch gerichtlichen Vergleich vom 01.06.2017 (Sitzungsniederschrift vom 01.06.2017):

"Vergleich:

1. Die Beklagte wird überprüfen, ob die Klägerin Anspruch auf eine stationäre Behandlung ihrer Erkrankung mittels Liposuktion erhalten kann.

2. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit damit in vollem Umfang für erledigt."

Nach Zustellung der Sitzungsniederschrift vom 01.06.2017 (am 08.06.2017) beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) mit der Begutachtung, ob eine Liposuktion im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sozialmedizinisch indiziert sei (Schreiben vom 29.06.2017). Mit sozialmedizinischem Gutachten nach Aktenlage vom 03.08.2017 gelangte der MDK (Dr. J.) zu der Einschätzung, dass sowohl ein Lipödem als auch eine Adipositas per magna bei der Klägerin vorlägen. Es seien keine validen Studien bekannt, die einen Nutzen des Verfahrens einer Liposuktion belegten. Auch gebe es hierzu bislang keine neuen Hinweise oder Empfehlungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Vielmehr handele es sich im Wesentlichen um eine symptomatische Therapie; die Liposuktion falle nicht in den Leistungskatalog der GKV. Nach Vorlage weiterer Unterlagen (Befundbericht der MVZ K., Fotodokumentation) durch die Klägerin blieb der MDK (Dr. R.) mit sozialmedizinischem Gutachten nach Aktenlage vom 03.05.2018 bei seiner Auffassung, dass bei der Klägerin sowohl ein Lipödem als auch eine Adipositas per magna vorlägen, jedoch die beantragte Liposuktionsbehandlung weder im stationären noch im ambulanten Bereich zu begründen sei. Die Klägerin sei weiterhin auf konservative Behandlungsmaßnahmen zu verweisen. Sofern diese nich...

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