Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen eines wesentlichen Entscheidungsmangels
Orientierungssatz
1. Das Berufungsgericht kann das Urteil des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst vorliegt.
2. Ein wesentlicher Entscheidungsmangel liegt vor, wenn das Gericht seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 und § 106 SGG nicht genügt.
3. Ein solcher besteht auch dann, wenn das Gericht das Beweisantragsrecht eines Beteiligten i. S. des § 118 SGG verletzt.
4. Ein wesentlicher Entscheidungsmangel liegt vor, wenn das Gericht die Vorschrift des § 111 SGG verletzt, indem es die Anordnung des persönlichen Erscheinens gegen den ausdrücklichen Willen des Verfahrensbeteiligten abgelehnt hat.
5. Das ergangene Urteil leidet an einem wesentlichen Mangel, wenn das Gericht den Sachverhalt nicht erschöpfend geprüft oder gewürdigt hat und sein Urteil unter Verstoß gegen die Vorgaben des § 128 und des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht ausreichend begründet hat.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.09.2007 wird aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Beweiserhebung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eine Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) für das Ghetto Stryj im Zeitraum August 1941 bis Oktober 1942.
Der 1929 in Stryj geborene Kläger ist während des zweiten Weltkrieges im dortigen Ghetto und anschließend in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern (ZAL / KZ) Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden. Nach dem Krieg wanderte er nach Israel aus, wo er bis heute lebt.
Im Herbst 1957 stellte er über den damaligen Rechtsanwalt und späteren Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. O einen Antrag nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Dabei schilderte er sein Verfolgungsschicksal durch eidliche Erklärung vom 27.11.1956 wie folgt:
"Nach dem Einmarsch der Deutschen in Stryj musste ich aufgrund der antijüdischen Maßnahmen im Juni 1941 als Judenkennzeichen eine weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen und trug das vorgeschriebene Judenzeichen währen der ganzen Haftzeit. Im August 1941 kam ich aufgrund einer Anordnung der deutschen Besatzungsbehörde in das Ghetto Stryj, wo selbst ich in der Kazimierza wohnte. Das Haus, in welchem ich untergebracht war, trug die Nummer 44. Das Ghetto war von der Außenwelt durch Stacheldraht abgeschlossen und es war unter Todesstrafe verboten, dieses zu verlassen. Es wurde ein Judenrat eingesetzt, dessen Obmann I3 war. Im Oktober 1942 wurde ich in das ZAL Stryj überführt und musste dort unter Auftrag der Deutschen im Heeres-Baracken-Werk Zwangsarbeit leisten. Im Herbst 1943 wurde ich in das ZAL Beskiden-Drohobycz, wo ich während der ganzen Zeit als Fassbinder zwangsarbeiten musste, überführt. In diesem Lager verblieb ich bis Frühling 1944 inhaftiert und kam anschließend in das ZAL Plaszow, wo ich bis Herbst 1944 in einer Tischlerei arbeitete. Lagerführer war H. Ich wurde in einer Baracke untergebracht und wurde von Ukrainern und SS bewacht. Im Herbst 1944 kam ich in das KZ Gross Rosen und von dort nach zwei Monaten in das KZ Dritte bei Braunschweig, wo ich in den H-Werken zur Zwangsarbeit zugeteilt wurde. Im März 1945 überstellte man mich schließlich in das KZ Bergen-Belsen, wo ich am 15. April des gleichen Jahres durch englische Truppen befreit wurde".
Durch eidliche Erklärungen desselben Tages bestätigte dies der Zeuge I2, geboren 1902 in Oppeln, der Folgendes angab:
"Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wohnte ich in Stryj und kannte aus dieser Stadt auch den Antragsteller. Nachdem unser Wohnort im Juni 1941 von den Deutschen besetzt wurde, mussten wir beide als Judenzeichen eine weiße Armbinde mit blauem Davidstern anlegen. Dieses von den Deutschen angeordnete Zeichen mussten wir von Juli 1941 bis zur Befreiung tragen. Im August 1941 mussten wir in das errichtete Ghetto in Stryj ziehen. Wir waren dort vom Übrigen Stadtteil abgesondert und es durfte unter Todesstrafe niemand das Ghetto verlassen. Der Judenälteste war I3. Von Anfang 1942 bis Juni 1943 war ich im ZAL Stryj inhaftiert und arbeitete dort im Heeres-Baracken-Werk. Im Herbst 1942 wurde auch der oben genannte in das ZAL Stryj gebracht und mit mir gemeinsam zur Zwangsarbeit beim Heeres-Baracken-Werk zugeteilt. Als ich im Juni 1943 weiter transportiert wurde, ließ ich den Antragsteller noch im obigen ZAL zurück. Ich kam im Juni 1943 in das ZAL Beskiden-Boryslaw und von dort im Mai 1944 in das KZ Plaszow. In diesem Lager habe ich wieder den Antragsteller getroffen. Er arbeitete dort in einer Tischlerei. Als man mich im Juni 1944 weiter transportierte ließ ich den oben...