Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei nicht erforderlicher stationärer Behandlungsnotwendigkeit. Wirtschaftlichkeitsprinzip. fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten. Vergütungsanspruch in Höhe der fiktiven Kosten einer ambulanten Operation. vertraglicher Vergütungsanspruch eines zum ambulanten Operieren zugelassenen Leistungserbringers bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen. entsprechende Geltung für ein zum ambulanten Operieren zugelassenes Krankenhaus
Orientierungssatz
1. Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse des Versicherten nur für eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung. Bei fehlender Notwendigkeit oder fehlender Wirtschaftlichkeit einer stationären Behandlung ist ein Vergütungsanspruch für die erbrachte stationäre Behandlung ausgeschlossen.
2. In einem solchen Fall hat das Krankenhaus Anspruch auf Vergütung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens in Höhe der Kosten, die bei einer ambulanten Operation angefallen wären (st Rspr, siehe zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 81).
3. Ein zum ambulanten Operieren zugelassener Leistungserbringer erwirkt einen vertraglichen Vergütungsanspruch für eine ambulant durchführbare Operationsleistung nach Maßgabe des einschlägigen EBM (juris: EBM-Ä 2008), sobald deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Entsprechendes gilt für ein zum ambulanten Operieren zugelassenes Krankenhaus, das gemäß § 115b Abs 2 S 4 SGB 5 einen unmittelbar von den Krankenkassen zu vergütenden Anspruch nach Maßgabe der Bewertung durch den EBM in Höhe der vergleichbaren Vergütung einer Facharztpraxis erlangt, sobald es mit einer ambulant durchführbaren Operation eine nach dem jeweiligen EBM-Gebührentatbestand berechnungsfähige Leistung erbracht hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.05.2020 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 764,01 EUR.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Kararakt-Operation.
Die bei der Klägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, Versicherte V X, geboren am 00.00.1941 (im Folgenden: Versicherte), befand sich im Zeitraum vom 20.08.2014 bis 21.08.2014 in vollstationärer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten, das nach § 108 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als Plankrankenhaus zugelassen ist und über die Zulassung für ambulante Operationen nach § 115b Abs 2 SGB V verfügt. Die stationäre Aufnahme der alleinstehenden Versicherten erfolgte am 20.08.2014 elektiv zur Durchführung einer Katarakt-Operation (Hinterkammerlinsen-Implantation) am rechten Auge. Intra- und postoperativ wurden keine Komplikationen beschrieben.
Die Klägerin beglich den von der Beklagten mit Rechnung vom 30.08.2014 unter Kodierung ua der Operation OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) 5-144.5a (Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über kornealen Zugang: Mit Einführung einer kapselfixierten Hinterkammerlinse, monofokale Intraokularlinse) auf Basis der Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) C08B (Extrakapsuläre Extraktion der Linse ohne angeborene Fehlbildung der Linse) geforderten Rechnungsbetrag in Höhe von 1.215,28 EUR am 14.09.2014 und veranlasste zugleich eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit dem Prüfgegenstand einer primären Fehlbelegung.
Dieser stellte mit Gutachten vom 10.06.2015 durch Dr. S und vom 23.05.2016 durch Dr. L fest, dass keine medizinischen Gründe für die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme bestanden hätten.
Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos vorgerichtlich zur Rückzahlung des Rechnungsbetrages aufgefordert hatte, hat sie am 11.12.2017 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (SG) erhoben.
Sie hat vorgetragen, die Kosten der vollstationären Behandlung ohne Rechtsgrund gezahlt zu haben, da diese nicht notwendig gewesen sei. Daher stehe ihr ein Erstattungsanspruch zu.
Die Beklagte hat geltend gemacht, dass ihr zumindest die Kosten in Höhe von 764,01 EUR, die für die ambulante Durchführung der Operation entstanden wären, zustünden, und hat insoweit eine "Testabrechnung" vorgelegt, die unter Zugrundelegung eines am 06.12.2019 erfolgten ambulanten intraocularen Eingriffs der Kategorie X2 bei einem 1982 geborenen Patienten einen Betrag in Höhe von 764,01 EUR ausweist.
Mit Schriftsatz vom 25.05.2020 hat die Beklagte die Klageforderung in Höhe der für die stationäre Versorgung gegenüber der ambulanten Durchführung anfallenden Mehrkosten von 451,27 EUR nebst Zinsen seit dem 17.10.2015 anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und entgegnet, dass die Kosten für eine ambulante Durchführung von der Beklagten nicht mehr beansprucht werden könnten, da es insoweit an einer gül...