Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. ambulante Operation gem § 115b SGB 5. keine gesonderte Vergütung für Einmalartikel (hier: Trokare) bei erlaubtem und dem medizinischem Standard entsprechenden Einsatz von Mehrfachartikeln

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit bei ambulanten Operationen der Einsatz mehrfach verwendbarer Instrumente (hier: Trokare) erlaubt ist, dem medizinischen Standard entspricht und hierdurch die wirtschaftliche Versorgung der Versicherten sichergestellt ist, scheidet im Fall der Verwendung von Einmalartikeln eine gesonderte Vergütung aus.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. Juni 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.788,85 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Sachkosten, die anlässlich von im Krankenhaus ambulant durchgeführten Krankenhausbehandlungen entstandenen sind.

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus im Sinne von § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), das zu ambulanten Operationen insbesondere nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 1-694 (diagnostische Laparoskopie) zugelassen ist (§ 115b SGB V, § 1 des Vertrags nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus - [AOP-Vertrag]).

In den Jahren 2012 bis 2016 führte die Klägerin in ihrer Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zulässigerweise (§ 3 Abs. 1 AOP-Vertrag i.V.m. dem Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe gemäß § 115b SGB V im Krankenhaus [Anlage 1]) ambulante gynäkologische Operationen durch. Hierbei rechnete sie jeweils - zusätzlich zu den (unstreitigen) Behandlungskosten für den Eingriff selbst - gesonderte Kosten für die bei der jeweiligen Operation verwendeten Einmaltrokare ab.

Mit Schreiben vom 07.06.2016 beanstandete die Beklagte diese Abrechnungspraxis. Ausweislich einer im April 2016 durchgeführten Prüfung des Medizinischen Dienstes bedürfe es für die durchgeführten laparoskopischen Eingriffe nicht der Verwendung von Einmaltrokaren, sondern es könnten wiederverwendbare Trokare zum Einsatz kommen. Deren Kosten seien bereits von der Gebührenordnungsposition für den operativen Eingriff nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM - hier: Gebührenordnungsposition [GOP] 31312) umfasst und daher nicht gesondert zu vergüten. Der Einsatz von Einmaltrokaren anstelle von wiederverwendbaren Trokaren, ohne dass hierfür eine medizinische Notwendigkeit bestehe, stelle sich als unwirtschaftlich dar. Im Folgenden verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe der Klageforderung (aus insgesamt 23 Behandlungsfällen) mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin.

Die Klägerin hat am 27.12.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.788,85 € nebst Zinsen begehrt hat. Der Anspruch ergebe sich aus § 9 Abs. 3 und 5 AOP-Vertrag. Trokare seien dort ausdrücklich als zusätzlich zu vergütende Sachmittel aufgeführt, ohne dass insoweit eine Unterscheidung zwischen Mehrfach- und Einmaltrokaren getroffen werde. Ausweislich der Überschrift zu § 9 AOP-Vertrag, welche (u.a.) ausdrücklich "Verbrauchsmaterialien" benenne, sei aber davon auszugehen, dass sich die Regelungen auf die Kosten für Einmaltrokare beziehe, zumal die Kosten für Mehrfachtrokare nicht einem einzelnen Operationsgeschehen zugeordnet werden könnten. Das in § 9 Abs. 6 AOP-Vertrag in Bezug genommene Wirtschaftlichkeitsgebot betreffe die wirtschaftliche Auswahl im Einkauf (z.B. Inanspruchnahme von Rabatten) und bei der konkreten Verwendung der Trokare, nicht jedoch die Frage, ob Einmal- oder Mehrfachtrokare eingesetzt würden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Verwendung von Einmaltrokaren statt Mehrfachtrokaren ohne dass hierfür eine medizinische Notwendigkeit bestehe, verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Sachmittel, die mit der Gebühr für die ärztliche Leistung abgegolten seien - was beim Einsatz von Mehrfachtrokaren der Fall sei (Verweis auf Nr. 7.1 EBM) -, seien nicht gesondert berechnungsfähig (§ 9 Abs. 2 AOP-Vertrag).

Mit Urteil vom 12.06.2018 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 1.788,85 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Der Anspruch ergebe sich aus § 9 Abs. 5 AOP-Vertrag, der Trokare als gesondert zu vergütende Sachmittel ausdrücklich aufführe (sechster Spiegelstrich). Gemeint seien insoweit Einmaltrokare, da nur diese einem bestimmten Operationsgeschehen zugeordnet werden könnten. Nichts anderes ergebe sich aus § 9 Abs. 6 AOP-Vertrag. Der dortige Verweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot beziehe sich allein auf den Erwerb und die Verwendung von Einmaltrokaren.

Gegen das ihr am 09.07.2018 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 08.08...

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