Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Ghetto-Beschäftigungen als Beitragszeiten nach dem ZRBG. Ghetto Sarnaki
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto iS von § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074) (hier: Beschäftigung im Ghetto Sarnaki in der Zeit Sommer 1940 bis Herbst 1942).
2. Das ZRBG regelt weder die Gleichstellung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nach § 55 Abs 1 S 1 SGB 6 oder als fiktive Beitragszeit iS von § 55 Abs 1 S 2 SGB 6. Der Senat folgt nicht der auch von den Rentenversicherungsträgern vertretenen Auffassung (vgl Dienstanweisung zum ZRBG der DRV Bund vom 4.11.2005), dass für die Anerkennung von Ghetto-Beschäftigungen als Beitragszeiten nach dem ZRBG eine Beziehung der Verfolgten iS des BEG zur deutschen Rentenversicherung während der Verfolgungszeit nicht mehr erforderlich ist. (Festhaltung an LSG Essen vom 13.1.2006 - L 4 RJ 113/04).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.04.2002 wird zurückgewiesen. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2003 gerichtete Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gestritten wird um Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung und Zahlung von Altersrente nach dem Zusatzabkommen zum Abkommen vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (DISVA).
Die am ... 1919 in Sarnaki/Polen geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung und als Verfolgte im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt. Seit Oktober 1948 lebt sie in Israel und hat die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 12.04.1994 beantragte die Klägerin die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung und die Zahlung von Rente. Im Fragebogen der Beklagten gab sie an, sie habe dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört. Von Dezember 1945 bis Juni 1947 habe sie im DP-Lager Neu-Freimann und in der ORT-Schule (ORT = Organization for Rehabilitation through Training) in Deutschland bei München Schneidergehilfin gelernt. Es habe sich um eine Vollzeitbeschäftigung gehandelt. Die Höhe des Entgelts sei nicht erinnerlich. Es seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden. Von Juni 1947 bis Oktober 1948 habe sie als Schneiderin im DP-Lager Neu-Freimann und in der ORT-Schule in Deutschland bei München als Schneiderin in Vollzeitbeschäftigung gearbeitet. Die Höhe des Entgelts sei nicht erinnerlich. Es seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Gleichlautende Angaben machte die Klägerin in einer eidesstattlichen Erklärung vom 24.03.1994.
Durch Bescheid vom 10.03.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und führte zur Begründung aus, die Mindestversicherungszeit (Wartezeit) sei nicht erfüllt. Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung seien weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht. Trotz umfangreicher Ermittlungen sei eine Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung nicht feststellbar. Die Ermittlungen bei der Landesversicherungsanstalt Oberbayern und der Allgemeinen Ortskrankenkasse München seien negativ verlaufen. Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein. Sie legte eine Bescheinigung der World ORT Union (Organization for Rehabilitation through Training) vom 21.06.1947 vor, wonach sie die Fachschule ORT in Neu-Freimann besucht habe und nach Durchprüfung ihrer Kenntnisse in den Werkstätten der ORT sich als Schneiderin erwiesen habe.
Ferner beantragte die Klägerin die Beitragsnachentrichtung nach dem Zusatzabkommen zu § 17a Fremdrentengesetz (FRG). Am 11.08.1996 gab die Klägerin in einem Fragebogen der Beklagten an, vom 01.08.1933 bis zum 01.08.1935 in der Schneiderwerkstätte U N in Sarnaki, Qstraße gearbeitet zu haben. Ein Barlohn sei ihr nicht erinnerlich. Sie sei in der polnischen staatlichen Rentenversicherung versichert gewesen. Von August 1935 bis September 1939 habe sie bei N U als Schneidergesellin gearbeitet. Ein Barlohn sei ebenfalls nicht erinnerlich. Sie sei in der polnischen staatlichen Rentenversicherung versichert gewesen. Kost und Wohnung habe sie jeweils nicht erhalten. Von Dezember 1945 bis Juni 1947 habe sie als Schneidergehilfin im DP-Lager, ORT-Schule Freimann bei München als Schneidergehilfin und von Juni 1947 bis Oktober 1948 als Schneiderin an gleicher Stelle gearbeitet. Ein Barlohn sei ihr nicht erinnerlich. Kost und Wohnung habe sie nicht erhalten. Zur Versicherung wurden keine Angaben gemacht. In einer Erklärung vom 11.08.1996 gab die Klägerin an, sie habe in einer Schneiderwerkstätte der Frau N U bereits nach zwei Jahren, also seit August 1935, als Schneidergeselle gearbeitet. Sie sei ganztägig beschäftigt gewesen. Vom Lohn seien...