Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer Unternehmergesellschaft (UG). Treuhandverhältnis. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Orientierungssatz
1. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status einer Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer Unternehmergesellschaft (UG), die in einer Arbeitsorganisation tätig wurde, deren Ausgestaltung sie kraft ihrer Stellung maßgeblich selbst bestimmte.
2. Zur Berücksichtigung eines Treuhandverhältnisses im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.01.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.075,01 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten, mit dem diese die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 2) beanstandet hat.
Die Klägerin ist eine UG (AG B HRB 000). Ihr Gegenstand ist der Handel mit Mode, Accessoires und Golfartikeln. Die Beigeladene zu 2) ist Textilbetriebswirtin. Sie war von 1980 bis 1994 abhängig beschäftigt, danach selbstständig als Einzelhandelskauffrau tätig. In der Zeit der Selbstständigkeit war sie freiwillig krankenversichert. Ihr Ehemann C war bis 1984 als Metzger tätig. Seitdem bezieht er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Am 20.08.2012 unterzeichneten die Beigeladene zu 2) als Treuhänder und ihr Ehemann als Treugeber in der Rehabilitationsklinik, in der ihr Ehemann sich wegen eines Herzinfarktes befand, einen "Treuhandvertrag" (im Folgenden: TV), der u.a. folgende Regelungen enthielt:
§ 1 Vorbemerkung
Am heutigen Tag wird der Treuhänder eine UG (haftungsbeschränkt) unter der Firma M UG (haftungsbeschränkt) mit Sitz in N und einem Geschäftsanteil in Höhe von 1,00 EUR gründen. Diese Gesellschaft wird keinen Grundbesitz haben.
§ 3 Pflichten des Treuhänders
1. Der Treuhänder verpflichtet sich, den in § 1 genannten Geschäftsanteil für Rechnung des Treugebers zu halten, zu besitzen und zu verwalten und in diesem Rahmen alle Gesellschafterrechte ausschließlich im Interesse des Treugebers auszuüben. Erträge aller Art aus den Geschäftsanteilen, insbesondere ausgeschütteter Gewinn, sind unverzüglich an den Treugeber abzuführen. Der Treuhänder tritt hiermit sicherungshalber bereits heute sämtliche ihm aus der Beteiligung erwachsenden Gewinnansprüche an den Treugeber ab.
2. Der Treuhänder hat dem Treugeber in jeder Hinsicht Auskunft zu geben und ihm Rechenschaft abzulegen. Der Treuhänder ist verpflichtet, sein Stimmrecht in der Gesellschaft nach Weisung des Treugebers auszuüben, soweit nicht gesellschaftsrechtliche Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft dem zwingend entgegenstehen. Beschlüsse der Gesellschaft hat der Treuhänder dem Treugeber mitzuteilen und ihm übermittelte Protokolle über Verhandlungen und Beschlüsse abschriftlich dem Treugeber zu übersenden. Der Treuhänder ermächtigt hiermit den Treugeber, mit der Maßgabe, dass diese Vollmacht durch den eventuellen Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschen soll, die Rechte aus den Geschäftsanteilen auch in eigener Person wahrzunehmen, insbesondere das Stimmrecht auszuüben.
§ 4 Pflichten des Treugebers
1. Für seine Tätigkeit erhält der Treuhänder keine Vergütung. 2. Der Treugeber ist verpflichtet, den Treuhänder von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte freizustellen, welche sich auf den von ihm treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil gründet.
§ 5 Beendigung des Treuhandverhältnisses
1. Das Treuhandverhältnis wird auf unbestimmte Zeit begründet. 2. Der Treugeber ist berechtigt, das Treuhandverhältnis zum Ende eines Monats - auch wichtigem Grund auch fristlos - zu kündigen. 3. Der Treuhänder ist berechtigt, das Treuhandverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu kündigen. Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist jederzeit zulässig.
Danach begab sich die Beigeladene zu 2) zum Notar und errichtete dort - ebenfalls am 20.08.2012 - die Klägerin, bei der sie den einzigen Geschäftsanteil von 1,00 EUR in voller Höhe übernahm, zur Geschäftsführerin bestellt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit wurde. Ein darüber hinaus gehender Gesellschaftsvertrag besteht nicht.
Mit Datum vom 01.12.2012 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 2) einen Geschäftsführeranstellungsvertrag (GF-AV), der die Beigeladene zu 2) verpflichtet, die Gesellschaft u.a. nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages sowie der Bestimmungen der Gesellschaft zu führen (§ 2 GF-AV). Hierfür erhält sie jährlich 9.000,00 EUR brutto in 12 monatlichen gleichen Teilbeträgen (§ 4 GF-AV). Sie hat Anspruch auf Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 5 GF-AV), einen Dienstwagen (§ 6 GF-AV), Reisekosten- und Aufwendungsers...