Orientierungssatz
1. Der Versuch einer Abwendung von Arbeitslosigkeit durch den Versuch einer Existenzgründung als Selbstständiger - hier als Teilhaber einer Küchenmanufaktur in Kanada - kann grundsätzlich als ein sozialadäquates Verhalten angesehen werden (vgl BSG vom 8.3.1972 - 11 RA 190/71 = BSGE 34, 93 = SozR Nr 44 zu § 1259 RVO). Dies gilt aber nur, wenn die Unterbrechung der aktiven Arbeitsplatzsuche mit den Konsequenzen für einen Leistungsbezug offengelegt wird.
2. Als rentenversicherungsrechtlich erhebliche Überbrückungstatbestände können nur solche angesehen werden, die ihrerseits im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Anrechnungszeitregelung stehen. Dieser besteht darin, den Versicherten vor Nachteilen zu schützen, die dadurch eintreten können, dass er durch bestimmte, nicht in seiner Person liegende Umstände gehindert war, Pflichtbeiträge zu leisten, die er sonst entrichtet hätte (vgl BSG vom 9.12.1975 - GS 1/75 = BSGE 41, 41 = SozR 2200 § 1259 Nr 13). Den einzelnen Überbrückungstatbeständen liegt - wie auch den Anrechnungszeittatbeständen selbst - die Vorstellung zugrunde, dass der Versicherte durch sie wegen eines von ihm nicht zu vertretenden Arbeitsschicksals an der Leistung weiterer Pflichtbeiträge gehindert war (vgl BSG vom 6.8.1986 - 5a RKn 21/85 = SozR 2200 § 1259 Nr 94).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.02.2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vom 26.08.1974 bis zum 24.09.1975 unter Berücksichtigung eines Überbrückungstatbestandes vom 25.04.1974 bis 25.08.1974.
Der Kläger war bis zum 12.02.1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er arbeitslos. Nach seinen Angaben hielt er sich in der Zeit vom 25.04.1974 bis 25.08.1974 in Kanada auf und wollte sich mit seinem dort lebenden Bruder in der Branche Küchenproduktion selbständig machen. Nachdem dieses Vorhaben gescheitert war, kehrte er nach Deutschland zurück, meldete sich am 26.08.1974 erneut arbeitslos und entrichtete schließlich ab dem 25.09.1975 wieder Pflichtbeiträge zur Beklagten. 1977 machte er sich als Taxifahrer selbständig und zahlte freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Ab Januar 1999 nahm er ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf.
Im Rahmen einer Kontenklärung erteilte die Beklagte dem Kläger am 22.01.1999 einen Versicherungsverlauf. In diesem lehnte es die Beklagte ab, die Zeit ab dem 26.08.1974 bis 24.09.1975 als Anrechnungszeit vorzumerken.
Am 27.04.1999 beantragte der Kläger die Überprüfung und Aufhebung des Bescheides vom 22.01.1999 im Hinblick auf die Anerkennung des Zeitraumes vom 26.08.1974 bis 24.09.1975 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.05.1999 die Anerkennung der begehrten Anrechnungszeit ab. Der Kläger habe seine Arbeitslosigkeit unterbrochen und den Versuch, sich selbständig zu machen, nicht in einem Land der Europäischen Union (EU) unternommen. Den hiergegen am 22.06.1999 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.1999 zurück.
Am 30.11.1999 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat zur Begründung vorgetragen, dass sein viermonatiger Aufenthalt in Kanada nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als unschädlicher Überbrückungstatbestand seiner Arbeitslosigkeit in Deutschland anzusehen sei. Auch nach dem deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommen seien die Zeiten zu berücksichtigen; der gewöhnliche Aufenthalt in Kanada sei als kanadische Versicherungszeit zu berücksichtigen mit der Rechtsfolge, dass auch diese Versicherungszeit in Deutschland als Anrechnungszeit anzuerkennen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.01.1999, 20.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.11.1999 aufzuheben und die Zeit vom 26. August 1974 bis 24. September 1975 als Anrechnungszeit anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass zwar grundsätzlich auch der missglückte Versuch einer Existenzgründung als Selbständiger als Überbrückungstatbestand berücksichtigt werden könne. Dies gelte für eine selbstständige Tätigkeit im Ausland jedoch nur dann , wenn diese in einem sogenannten EU-Ausland ausgeübt worden sei. Das deutsch-kanadische Sozialversicherungsabkommen habe auf die Anerkennung von deutschen Versicherungszeiten keine Auswirkung.
Mit Urteil vom 08.02.2001 hat das Sozialgericht Köln die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 26.08.1974 bis 24.09.1975 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit anzuerkennen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, nach § 58 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) lägen Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen worden sei. Diese Vorausse...