Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Interviewer
Orientierungssatz
1. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setzt die Eingliederung in einen fremden Betrieb und die Weisungsgebundenheit gegenüber einem Arbeitgeber voraus. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Arbeitet ein Interviewer nach Anweisung ausschließlich in den Studios seines Auftraggebers nach einem vorgegebenen Fragenkatalog, erfolgt die Vergütung auf Stundenbasis, unterliegt er sowohl für den Ort als auch den organisatorischen Rahmen seiner Tätigkeit dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers und kann er seine Arbeit nur im zeitlichen Rahmen einvernehmlich aufgestellter Einsatzpläne erbringen, so ist seine Tätigkeit diejenige eines abhängig Beschäftigten.
3. Maßgebliches Kriterium für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ist das Tragen eines Unternehmerrisikos. Entscheidend dafür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.
4. Kann der Interviewer vereinbarungsgemäß die Durchführung von Einzelaufträgen unter Beachtung bestimmter Fristen ohne Angabe von Gründen ablehnen, so spricht allein dieser Umstand bei im übrigen bestehender Weisungsgebundenheit nicht gegen die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.11.2008 geändert und die Klage hinsichtlich der den Beigeladenen zu 1) betreffenden Beitragsforderung abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.460,04 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin für den als Interviewer für sie tätig gewesenen Beigeladenen zu 1) aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Dezember 1999 und für den Zeitraum von April bis Juni 2000 sowie Beiträge für eine geringfügige Beschäftigung zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für den Zeitraum von Januar bis März 2000 zu zahlen hat. Hinsichtlich der ursprünglich darüber hinaus gehenden Beitragsforderungen für den Zeitraum von September bis November 1999 hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 im Verhandlungstermin am 20.7.2011 aufgehoben und die Klägerin das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen. Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen, soweit die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid Beiträge für eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als Supervisor im Zeitraum von Juli 2000 bis März 2002 nachgefordert hat.
Die Klägerin ist ein Markt- und Meinungsforschungsunternehmen, welches für verschiedene Auftraggeber Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und anderweitige Meinungsbefragungen im Streitzeitraum von 1999 bis 2002 durchführte. Sie entwickelte dafür unter anderem auftragsspezifische, strukturierte Interviews mit festgelegten Fragen, welche von den Interviewern der Klägerin telefonisch durchgeführt wurden. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin die zu befragenden Zielgruppen, die Zahl der für ein Projekt bzw. eine Studie durchzuführenden Interviews sowie die einzuhaltende sog. Feldzeit, bei der es sich um den Zeitraum handelt, innerhalb dessen das Projekt bzw. die Studie abgeschlossen sein muss. Die Antworten der Gesprächspartner wurden über die für die jeweiligen Aufträge entwickelten Eingabemasken in den Computer eingegeben und die so gewonnenen Daten empirisch ausgewertet. Zur Durchführung der Interviews stellte die Klägerin den Interviewern anonymisierte Arbeitsplätze mit Computer und Telefon in sogenannten Telefonstudios mit 15 bis 30 Telefonarbeitsplätzen zur Verfügung. Pro 15 Telefonarbeitsplätze befand sich ein Supervisor im Telefonstudio. Dieser hatte auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung zu achten. Zu diesem Zwecke verfolgte er einzelne Interviews stichprobenartig mit, schrieb ein Bewertungsprotokoll, das als Grundlage für die Bewertung der Interview-Qualität des Interviewers diente, und gab dem Interviewer ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. Weiterer Zweck des Verfolgens der Interviews war es sicherzustellen, dass die Interviews erbracht wurden. Darüber hinaus oblag dem Supervisor die technische und inhaltliche Betreuung der Interviewer. Der Einsatz der Interviewer erfolgte in einem System von 4-Stunden-Zeitkorridoren - von den Beteiligten teilw...