Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit bei einem Interviewer
Orientierungssatz
1. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Maßgeblich ist insoweit die Eingliederung in einen fremden Betrieb und die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Arbeitet ein Interviewer nach studienspezifischen Einweisungen und einem vorgegebenem Fragenkatalog, unter zeitweiser Kontrolle von Supervisoren, erfolgt die Vergütung auf Stundenbasis und ohne Rechnungslegung durch den Interviewer, so ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Einer Eingliederung in den Betrieb steht nicht entgegen, wenn dem Interviewer das Recht eingeräumt ist, Arbeitsangebote seines Auftraggebers abzulehnen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6.11.2008 geändert und die Klage hinsichtlich der den Beigeladenen zu 1) betreffenden Beitragsforderung abgewiesen.
Die Klägerin trägt 7/8, die Beklagte 1/8 der Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.918,03 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin für den als Interviewer für sie tätig gewesenen Beigeladenen zu 1) aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Dezember 1999 bis Juli 2002 zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung aufgrund einer versicherungspflichtigen bzw. geringfügigen Beschäftigung zu zahlen hat. Hinsichtlich der ursprünglich darüber hinaus gehenden Beitragsforderungen für den Zeitraum von September bis November 1999 hat die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 29.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2005 im Verhandlungstermin am 20.7.2011 aufgehoben und die Klägerin das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen.
Die Klägerin ist ein Markt- und Meinungsforschungsunternehmen, welches für verschiedene Auftraggeber Kundenzufriedenheitsbefragungen, Marktpotentialerhebungen und anderweitige Meinungsbefragungen im Streitzeitraum von 1999 bis 2002 durchführte. Sie entwickelte dafür unter anderem auftragsspezifische, strukturierte Interviews mit festgelegten Fragen, welche von den Interviewern der Klägerin telefonisch durchgeführt wurden. Darüber hinaus bestimmte die Klägerin die zu befragenden Zielgruppen, die Zahl der für ein Projekt bzw. eine Studie durchzuführenden Interviews sowie die einzuhaltende sog. Feldzeit, bei der es sich um den Zeitraum handelt, innerhalb dessen das Projekt bzw. die Studie abgeschlossen sein muss. Die Antworten der Gesprächspartner wurden über die für die jeweiligen Aufträge entwickelten Eingabemasken in den Computer eingegeben und die so gewonnenen Daten empirisch ausgewertet. Zur Durchführung der Interviews stellte die Klägerin den Interviewern anonymisierte Arbeitsplätze mit Computer und Telefon in sogenannten Telefonstudios mit 15 bis 30 Telefonarbeitsplätzen zur Verfügung. Pro 15 Telefonarbeitsplätze befand sich ein Supervisor im Telefonstudio. Dieser hatte auf die Einhaltung studienspezifischer Belange und allgemeiner Regeln der Interviewführung zu achten. Zu diesem Zwecke verfolgte er einzelne Interviews stichprobenartig mit, schrieb ein Bewertungsprotokoll, das als Grundlage für die Bewertung der Interview-Qualität des Interviewers diente, und gab dem Interviewer ein Feedback zu jedem bewerteten Interview. Weiterer Zweck des Verfolgens der Interviews war es sicherzustellen, dass die Interviews erbracht wurden. Darüber hinaus oblag dem Supervisor die technische und inhaltliche Betreuung der Interviewer. Der Einsatz der Interviewer erfolgte in einem System von 4-Stunden-Zeitkorridoren - von den Beteiligten teilweise als "Schicht" bezeichnet -, deren Lage sich vornehmlich nach der Erreichbarkeit der Zielpersonen richtete. Pro Stunde war eine bezahlte Pause von 5 Minuten, insgesamt 20 Minuten pro 4-Stunden-Zeitkorridor vorgesehen. Darüber hinaus war hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer eine freie Pausenwahl möglich. Zum Teil wurden die Zeitkorridore bei Studien mit Auslandsbezug verändert. Gleiches galt beispielsweise bei Studien, die Handwerker betrafen.
Die von der Klägerin eingesetzten Interviewer wurden von dieser durch eine allgemeine Schulung auf ihre Tätigkeit als Interviewer vorbereitet. Dazu erhielten sie studienspezifische Einweisungen. Der konkrete Einsatz der Interviewer wurde wöchentlich im Voraus für die folgende Kalenderwoche zeitlich festgelegt und verbindlich vereinbart, wobei schriftliche V...