Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Kapitallebensversicherung. unentbehrliche Gegenstände zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit. selbstständige Tätigkeit. Härte

 

Orientierungssatz

1. Übersteigt der Vermögenswert einer Lebensversicherung den Betrag des nach dem BSHG geschützten Vermögens, so muss der Hilfebedürftige den nicht geschützten Teil dieses Vermögens für seinen Lebensunterhalt verwenden.

2. Fehlt es an einer staatlichen Förderung, so kann eine Lebensversicherung nicht gem § 88 Abs 2 Nr 1a BSHG vom Vermögenseinsatz ausgenommen werden. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG.

3. Lebensversicherungen sind bereits keine Gegenstände iS von § 88 Abs 2 Nr 4 BSHG wie etwa ein Werkzeug oder Berufskleidung, die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind.

4. Es dürfte mit der Gesetzessystematik nicht vereinbar sein, Lebensversicherungsverträge, die auf das 60. Lebensjahr bezogen sind, generell als geschütztes Altersvorsorgevermögen anzusehen. Liegt bei einer Lebensversicherung freie Verfügbarkeit vor bzw ist eine Zweckbestimmung nicht nachgewiesen, so kommt kein Vermögensschutz unter dem Gesichtspunkt der Alterssicherung in Betracht.

5. Vorhandenes Vermögen ist nicht einzusetzen, soweit dies für den Hilfebedürftigen und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte darstellen würde. Eine solche Härte ist nur dann anzunehmen, wenn atypische (ungewöhnliche) Umstände vorliegen, bei denen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden nachhaltig beeinträchtigt ist.

6. Liegt der Verlust bei einem Rückkauf der Lebensversicherung unter 10%, so ist eine Verwertung der Lebensversicherung zumutbar.

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 16.12.2010; Aktenzeichen B 8 SO 3/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.05.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die in der Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessoziahilfegesetz (BSHG) als Darlehen gewähren durfte oder die Kläger einen Anspruch auf die Gewährung der Leistung als nicht zurückzuzahlenden Zuschuss haben.

Im Juli 2007 beantragten die 1962 geborenen und miteinander verheirateten Antragsteller zu 1) und 2) für sich und ihre minderjährigen Kinder, die Kläger zu 3) und 4), Sozialhilfe, wobei sie vortrugen, die Erträge des von ihnen bereits seit dem 15.07.2003 unter dem Namen der Klägerin zu 2) ausgeübten Handelsgewerbes, das auf den Im- und Export von Fahrzeugen aller Art gerichtet sei, reiche nicht mehr aus, um den notwendigen Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen. Bei der Antragstellung gaben die Kläger zu 1) und 2) an, jeweils über Kapital-Lebensversicherungen zu verfügen, im Falle des Klägers zu 1) eine Kapital-Lebensversicherung bei der HUK-Coburg, deren Rückkaufswert zum Stichtag 01.06.2004 6.038,80 Euro betrug und im Falle der Klägerin zu 2) eine Lebensversicherung bei der Debeka, deren Rückkaufswert mit 6.965,08 Euro angegeben wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.08.2004 bewilligte die Beklagte den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt in Form eines Darlehens für die Zeit ab dem 01.07.2004. Bis zum 31.12.2004 leistete die Beklagte den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 12.047,87 Euro.

Ab dem 01.01.2005 bezogen die Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom dafür zuständigen Leistungsträger.

Gegen den Bescheid vom 31.08.2004 legten die Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrugen, die Sozialhilfe sei ihnen als Zuschuss zu gewähren. Die Lebensversicherungsverträge seien ausschließlich zur Altersvorsorge abgeschlossen worden. Eine Auflösung würde eine unzumutbare Benachteiligung von Selbständigen gegenüber Angestellten bedeuten.

Mit Bescheiden vom 14.09.2004, 03.11.2004, 23.11.2004, 03.01.2005 und 01.02.2005 berechnete die Beklagte die Leistungen jeweils neu und bewilligte den Klägern Nachzahlungsbeträge für die Monate von August bis Dezember 2004.

Mit Schreiben vom 05.04.2005 forderte die Beklagte die Kläger auf, nähere Angaben zu Guthaben und ggf. Auflösung eines Kontos bei der "G Holland, N.V.", BLZ 000, in Frankfurt am Main einzureichen. Ein Datenabgleich mit der Finanzverwaltung habe ergeben, dass für das fragliche Konto Freistellungsaufträge von den Klägern gestellt worden seien.

Die Kläger teilten daraufhin mit, dass es sich bei dem fraglichen Konto um ein Geschäftskonto handele. Im November 2004 seien Abbuchungen vorgenommen worden, um Rechnungen zu begleichen. Hierzu reichten die Kläger zwei Kontoauszüge ein, nachdem sie von der Beklagten aufgefordert worden waren, die Kontoauszüge vollständig vorzulegen. Aus einem der Kontoauszüge ging eine Abhebung zum 02.11./03.11.2004 hervor, die einen Betrag von 6.300 Euro betraf und von der Klägerin zu 2.) getätigt wurde. Fe...

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