Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der gerichtlichen Aufklärungspflicht
Orientierungssatz
1. Das Gericht hat im Rahmen seiner Aufklärungspflicht darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert und sachdienliche Anträge gestellt werden. Hält ein anwaltlich vertretener Kläger jedoch trotz entsprechender Hinweise an seinen Anträgen fest, so endet die Hinweispflicht des Gerichts. Dem Beteiligten obliegt die Entscheidung, welche Anträge er zur gerichtlichen Überprüfung stellt.
2. Dem Wortlaut des § 60 SGB 5 lässt sich nicht entnehmen, dass auch bei qualifizierten Krankentransporten ein ungekürzter Vergütungsanspruch des Leistungserbringers besteht.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06. April 2006 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der früheren Beigeladenen in beiden Instanzen. Im Übrigen sind Kosten für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (nur noch) ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Einziehung des Versichertenanteils für von Mitarbeitern des Klägers durchgeführte qualifizierte Krankentransporte. Den erstinstanzlich noch geltend gemachten Anspruch auf "Schadensersatz" verfolgt der Kläger nach Teilabweisung der Klage durch das Sozialgericht (SG) nicht weiter.
Der Kläger betreibt in Wuppertal, Solingen und Remscheid ein Unternehmen zur Notfallrettung und zum qualifizierten Krankentransport. Er ist nach § 18 des Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer (Rettungsgesetz NRW - RettG NRW) vom 24.11.1992 (Gesetz- und Verordnungsblatt (GV) NRW 1992 S. 458, geändert durch Art. 17d des Modernisierungsgesetzes NRW vom 15.6.1999, GV. NRW. S. 386, Art. 35d Europa-Anpassungs-Gesetz NRW vom 25.9.2001, GV. NRW. S. 708) zugelassen, aber nicht zur Teilnahme am öffentlichen Rettungsdienst berechtigt. Der Abrechnung von Fahrten zugunsten von Versicherten der Beklagten liegt der Vertrag nach § 133 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vom 07.06.1999 einschließlich Anlage 1 zu dem Vertrag zugrunde. In § 60 Abs. 2 S. 2 (früher inhaltsgleich S. 3) SGB V ist geregelt, dass die Krankenkasse die Zuzahlung je Fahrt von dem Versicherten einzieht, soweit Fahrten nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden. Bis Anfang 2000 handhabten die gesetzlichen Krankenkassen, u. a. auch die Beklagte, die Umsetzung dieser Vorschrift in der Weise, dass sie - ohne Unterscheidung zwischen Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport - bei Fahrten von kommunalen und privaten Rettungsdiensten generell die Zuzahlungsbeträge von ihren Versicherten einzogen und dem Leistungserbringer gegenüber die ungekürzte vereinbarte Vergütung erbrachten. Mit Urteil vom 16.04.1998 (Sozialrecht (SozR) 3-2500 § 60 Nr. 2) entschied das Bundessozialgericht (BSG), dass Fahrten von Rettungsdiensten im Sinne von § 60 Abs. 2 S. 3 SGB V alter Fassung (a. F.) (S. 2 neuer Fassung (n. F.)), für die die Krankenkasse die Zuzahlung des Versicherten nachträglich selbst einzuziehen hätten, nur solche seien, die von der zuständigen Notrufleitstelle angefordert oder bei dieser nach den einschlägi-gen rettungsdienstlichen Vorschriften oder Vereinbarungen gemeldet worden seien (sog. Fahrten von Rettungsdiensten im funktionalen Sinne).
Zunächst setzten die gesetzlichen Krankenkassen die Rechtsprechung des BSG bezüglich der qualifizierten Krankentransporte nicht um. Mit Schreiben vom 10.03.2000 teilte die Beklagte dem Kläger jedoch - auf der Grundlage eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses aller Verbände der Krankenkassen in NRW und nach Abstimmung mit dem Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (MFJFG) NRW - mit, dass sie ab dem 01.04.2000 den Versichertenanteil für qualifizierte Krankentransporte, die keine Fahrten von Rettungsdiensten im funktionalen Sinne darstellten, bei privaten Rettungsdiensten, wie demjenigen des Klägers, und freiwilligen Hilfsorganisationen nicht mehr einziehen werde. Es obliege in Zukunft dem Kläger, diesbezügliche Ansprüche gegenüber den transportierten Versicherten selbst geltend zu machen und zu realisieren. Gegenüber den kommunalen Trägern von Rettungsdiensten, z. B. der Städte Remscheid, Solingen und Wuppertal, behielt die Beklagte die ursprüngliche Verwaltungspraxis vorübergehend bei. Darüber unterrichtete die Beklagte unter dem 06.07.2001 den Landkreistag NRW, den Städtetag NRW und den Städte- und Gemeindeverbund NRW, verbunden mit dem Hinweis, dass die Verfahrensweise zunächst bis zum 30.09.2001 befristet sei und den geltend gemachten logistischen Problemen der Kommunen bei der Umsetzung des o. g. Urteils des BSG und den erforderlichen Satzungsänderungen Rechnung trage. Zudem verträten die Landesversicherungsämter zu der Frage der Einziehung der Zuzahlungen eine von der Rechtsauslegung des Bundesversicherungs-amtes abweichende Auffassung. Es sei jedoch damit zu rechnen, dass bis zu dem genannten Termin ei...