Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.155,35 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde in der Zeit vom 09.07.2015 bis zu ihrem Tod am 17.07.2015 die bei der Beklagten versicherte Z. vollstationär behandelt. Das Krankenhaus stellte der Beklagten für diese Behandlung 3.534,56 EUR auf der Grundlage der Fallpauschale (Diagnosis Related Groups, ≪DRG≫) L63C (Infektionen der Harnorgane mit äußerst schweren CC, ohne Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern, Alter ≫ 5 Jahre oder ohne äußerst schwere CC, mit Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern) in Rechnung.

Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst vollständig und beauftragte am 16.09.2015 den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Durchführung einer sachlich-rechnerischen Abrechnungsprüfung in Bezug auf die kodierte Hauptdiagnose. Mit Gutachten vom 01.03.2016 kam Dr. A. für den MDK zu dem Ergebnis, die kodierte Hauptdiagnose sei nicht korrekt.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 10.03.2016 das Ergebnis der MDK-Begutachtung mit und führte aus, nach Streichung der vom Krankenhaus kodierten Hauptdiagnose resultiere nunmehr die DRG T64C (Andere infektiöse und parasitäre Krankheiten ohne komplexe Diagnose). Es ergebe sich hierdurch eine Minderung des Rechnungsbetrages um 1.155,35 EUR. Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgte, verrechnete die Beklagte 1.155,35 EUR gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall X., Rechnungsnummer 01.

Am 26.11.2019 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund auf Zahlung des offenen Betrages aus dem Behandlungsfall X. erhoben und vorgetragen, die von der Beklagten durchgeführte Aufrechnung verstoße gegen § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrags nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V (im Folgenden: Landesvertrag NRW).

Das SG hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2021 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 1.155,35 EUR nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2016 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

"...Die Klage ist zulässig. Sie ist statthaft als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Bei der Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Vergütung für die stationäre Behandlung eines Versicherten handelt es sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R).

III. Die Klage hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung von 1.155,35 EUR als Vergütung für den Behandlungsfall X. verlangen.

1. Dass der Klägerin aus dem Behandlungsfall X. ursprünglich ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zustand, ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Dieser Vergütungsanspruch ist nicht durch Aufrechnung nach Maßgabe der §§ 387 ff. BGB analog erloschen. Denn die Aufrechnung war unzulässig.

Der Aufrechnung stand das Aufrechnungsverbot nach § 15 Abs. 4 Satz 1 des Vertrags nach § 112 Abs. 2 SGB V über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ("Landesvertrag NRW") entgegen. Nach dieser Vorschrift können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden, unzutreffenden Angaben beruht, können überzahlte Beträge verrechnet werden (Satz 2).

Ausdrücklich enthält der Vertrag zwar kein Aufrechnungsverbot, aber aus § 15 Abs. 4 Satz 2 Landesvertrag NRW lässt sich der Schluss ziehen, dass eine Verrechnung nur bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage zulässig sein soll oder falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Dies ergibt sich aus systematischer Betrachtung von Satz 1 im Verhältnis zu Satz 2. Das LSG NRW vertritt daher in ständiger Rechtsprechung, dass im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 4 Satz 2 Landesvertrag NRW ein Aufrechnungsverbot für sonstige Fälle resultiert (vgl. LSG NRW, Urteil v. 27.03.2003, L 5 KR 141/01, Rz. 21; LSG NRW, Urteil v. 03.06.2003, L 5 KR 205/02 und LSG NRW, Urteil v. 24.05.2012, L 16 KR 8/09, zit. nach juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht um die bloße Korrektur eines Rechenfehlers, sondern die Beklagte hat die Rechnung der Klägerin vom 01.09.2015 unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Kodierung beanstand...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge