Entscheidungsstichwort (Thema)
Bandscheibenerkrankung. Stichtag. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer Bandscheibenerkrankung als Berufskrankheit gemäß BKVO Anl 1 Nr 2108 Nr 2109 idF vom 18.12.1992, weil der Versicherungsfall vor dem 1.4.1988 eingetreten ist.
2. Die Rückwirkungsvorschrift des Art 2 Abs 2 S 1 BKVO7ÄndV 2 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 oder Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) insbesondere mit einer Verletztenrente zu entschädigen ist.
Der im Jahre 1937 geborene Kläger hat den Beruf eines Zimmermanns erlernt und zuletzt bis zum 14.07.1983 als Einschaler gearbeitet. Von der LVA R. bezieht er ab dem 30.01.1985 Berufsunfähigkeitsrente (Versicherungsfall vom 14.07.1983). Zuletzt war er u.a. wegen eines Halswirbelsäulen(HWS)-Syndroms bis auf weiteres als arbeitsunfähig beurteilt worden.
In dem um die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 18.04.1973 geführten Rechtsstreit (erstinstanzliches Az.: S 6 U 199/90 SG Düsseldorf) erklärte sich die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem erkennenden Senat - L 17 U 143/91 - vom 24.06.1992 aufgrund von Äußerungen des als Sachverständiger gehörten Chirurgen Dr. S... (Gutachten vom 17.09.1991) bereit zu prüfen, ob beim Kläger Wirbelsäulenveränderungen als BK anzuerkennen seien.
Nach dem zum 01.01.1993 erfolgten Inkrafttreten der 2. Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 - 2. ÄVO - (BGBl. I 1992, S. 2343) und nach Einholung einer Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes vom 28.04.1993 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.1993 die Gewährung von Leistungen wegen der geltend gemachten BK nach Nr. 2108 oder Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKVO ab, weil der Kläger die berufliche Tätigkeit vor dem 01.04.1988 aufgegeben habe. Entsprechend Art. 2 der 2. ÄVO sei Voraussetzung für die Anerkennung einer BK, daß die Tätigkeit nach dem 31.03.1988 unterlassen worden sei.
Dagegen legte der Kläger am 09.06.1993 Widerspruch ein mit der Begründung, der Hinweis auf die Stichtagsregelung befriedige nicht. Durch Bescheid vom 13.07.1993 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung seiner dagegen am 03.08.1993 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger u.a. vorgetragen, der Eintritt des Gesundheitsschadens vor dem 01.04.1988 schließe die Anwendung des § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht aus, weil die neuen Erkenntnisse bereits vor dem Stichtag vorgelegen hätten.
Die Beklagte hat sich demgegenüber auf die Gründe der angefochtenen Bescheide gestützt und eine Auskunft des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 19.04.1993, die in einer anderen beim Senat anhängig gewesenen Streitsache eingeholt worden war, vorgelegt.
Mit Urteil vom 14.06.1995 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 24.07.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.07.1995 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Stichtagsregelung besage nur, daß der Fall nicht nach der BK-Liste entschädigt werden könne. Die für Fälle vor Änderung einer BKVO maßgebliche Rechtsvorschrift des § 551 Abs. 2 RVO bleibe nach wie vor zu prüfen, was hier unterblieben sei. Die Änderungsverordnung habe diese Vorschrift nicht rückwirkend in Fortfall bringen können. Eine rechtliche Begründung für eine anderweitige Beurteilung sei bislang nicht gegeben worden.
Der Kläger, der im Verhandlungstermin vor dem Senat am 22.11.1995 nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.06.1995 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.1993 zu verurteilen, "eine berufliche Wirbelsäulenerkrankung anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere in Form von Verletztenrente", hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist ergänzend auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.01.1995 - 2 RU 13/94 und 2 RU 20/94 -, wonach die Ausschlußbestimmung des Art. 2 Abs. 2 der 2. ÄVO zur BKVO auch den Versicherungsschutz nach § 551 Abs. 2 RVO erfasse und nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoße.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte die Streitsache verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung am 22.11.1995 nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist. In der ordnungsgemäß zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten am 27.10.1995 erfol...