Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Leistung. Unaufschiebbare Leistung. Kieferentzündung. Zahnärztliche Behandlung. Privatabrechnung

 

Orientierungssatz

1. Ein Kostenerstattungsanspruch für eine selbstbeschaffte Leistung ist nach § 13 Abs. 3 S. 1 Alternative 1 SGB 5 ausgeschlossen, wenn keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit der selbstbeschafften Leistung erkennbar sind. Ebenso ist ein solcher Anspruch nach der 2. Alternative dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung und den dadurch entstandenen Kosten fehlt. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Antragsteller zur Durchführung einer bestimmten Therapie entschlossen hat, ohne eine Entscheidung des Leistungsträgers abzuwarten bzw. überhaupt in die Wege zu leiten.

2. Macht der Antragsteller geltend, er habe aufgrund seines Krankheitszustandes keine Möglichkeit gehabt, sich mit der Krankenkasse zwecks Sachleistung in Verbindung zu setzen, so muss er belegen, dass ein sofortiges Einschreiten zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben schlechterdings unumgänglich, jeder zeitliche Aufschub medizinisch unvertretbar und er somit gehindert war, sich vor Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzen.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3 S. 1; SGB I § 32; EKV-Z § 7 Abs. 7

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 04.10.2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Behandlungs-, Fahr- und Unterbringungskosten.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er litt in der Vergangenheit u.a. unter einer Neigung zu Entzündungen im Mund-/ Kieferbereich, Zittern und Muskelkrämpfen, Gelenkschmerzen, Kribbeln, Haarausfall im Bereich des vorderen Haupthaars, Augenflimmern, Kopfschmerzen, Nachtschweiß, Energielosigkeit, Depression, Unruhe, Hyperaktivität, Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie Schlaflosigkeit.

Am 09.03.2009 begab er sich in die privatärztliche Behandlung des zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarztes Dr. M. Dort wurde (bereits) am 09.03.2009 eine Sequestrotomie - eine Entfernung tiefliegender Fremdkörper - im Bereich sämtlicher vier Kieferquadranten begonnen, nachdem Dr. M im Rahmen einer Cavitat-Ultraschalluntersuchung zu dem Ergebnis gelangt war, dass sich im Kiefer chronische Entzündungen befänden und im Bereich des linken Unterkiefers (regio 36 bis 39) ein ca. 3 cm3 großer "Amalgamklumpen" eingeschlossen sei. Weitere Sequestrotomien und Osteotomien folgten am 06.04.2009, 05.05.2009, 15.06.2009, 15.07.2009, 16.08.2009, 15.09.2009, 26.10.2009, 04.01.2010 und am 08.02.2010. Daneben unterzog sich der Kläger bei Dr. M einer hämatogenen Oxydationstherapie, einer Relux-LED-Lichttherapie, niederfrequenter Reizstromtherapie sowie einer Ultraschall-Therapie. Insgesamt berechnete Dr. M dem Kläger für ärztliche und zahnärztliche Leistungen (einschließlich Kosten für Eigen- und Fremdlabor) einen Betrag i.H.v. 18.595,62 Euro nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und Zahnärzte (GOZ). Darüber hinaus sind bei dem Kläger Kosten für Arzneimittel von 719,00 Euro sowie Beförderungs- und Unterbringungskosten i.H.v. 3.096,50 Euro, insgesamt 22.411,51 Euro angefallen.

Am 15.06.2009 (Schreiben vom 12.06.2009), beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenerstattung/-übernahme für die bei Dr. M durchgeführte Behandlung sowie für weitere entstandene und noch entstehenden Kosten. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er seit 2004 ernste gesundheitliche Probleme mit häufiger Arbeitsunfähigkeit gehabt habe. Keiner der konsultierten Ärzte habe eine Ursache dafür feststellen können, bis Dr. M im Frühjahr 2009 eine chronische Kieferostitis festgestellt und diese operativ behandelt habe. Er fügte dem Antrag einen Befund-/Diagnose- und Therapieplan von Dr. M vom 09.03.2009, Operationsberichte vom 09.03.2009, 06.04.2009 und 05.05.2009 sowie Rechnungen vom 26.05.2009, 12.05.2009, 11.05.2009, 28.04,2009, 27.04.2009, 20.03.2009, 17.03.2009 und 16.03.2009 über insgesamt 8.809,22 Euro bei.

Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung und -übernahme ab und teilte mit, dass es sich nicht um zur vertragszahnärztlichen Behandlung gehörende Maßnahmen handele (Bescheid vom 24.06.2009).

Im Widerspruchsverfahren schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser vertrat in einer nach Aktenlage unter Verwertung weiterer allgemein- und zahnärztlicher Befunde verfassten Stellungnahme vom 30.12.2009 die Auffassung, dass die von Dr. M durchgeführte Behandlung nicht indiziert und notwendig gewesen sei. Therapiebedürftige Entzündungen und Vergiftungen hätten sich im zeitlichen Zusammenhang zu den Eingriffen weder röntgenologisch noch allgemeinmedizinisch dargestellt. Die Behauptung eines Zusammenhangs zwi...

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