Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländische Rente. Ausschluss von Grundsicherungsleistungen. Rücknahme. Aufhebung. Auswechseln der Rechtsgrundlage. Wesensgehalt. Erstattungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer ausländischen Rente handelt es sich unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang und dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 4 SGB II um eine Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausschließende Leistung, wenn sie die gleichen typischen Merkmale aufweisen wie die ausdrücklich benannte deutsche Altersrente; dies ist der Fall, wenn die ausländische Rentenleistung - wie die Altersarbeitsrente vom Rentenfonds der Russischen Föderation - durch einen öffentlichen Träger gewährt wird, sie an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze anknüpft und nach ihrer Gesamtkonzeption einen den Lebensunterhalt sicherstellenden Lohnersatz darstellt.

2. Die Rücknahme der Bewilligung ist nicht schon aus dem Grunde rechtswidrig, dass sich der Beklagte auf § 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X anstelle auf § 45 SGB X gestützt hat; dieses Auswechseln der Rechtsgrundlage ist zulässig, da sich der Aufhebungsbescheid hierdurch in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt nicht dadurch wesentlich verändert, dass der Bezug der russischen Altersrente im gerichtlichen Verfahren nicht mehr - wie in der Begründung des Rücknahmebescheides als Zufluss eines Einkommens i.S.v. § 11 Abs. 1 S.1 SGB II gewertet wird, sondern als Bezug einer Leistung, die den Ausschluss aus dem Leistungssystem des SGB II nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II begründet.

3. Die Rücknahme der Bewilligung der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ist nicht wegen eines Erstattungsanspruches des Leistungsträgers nach dem SGB II nach § 107 SGB X gegen den Leistungsträger nach dem SGB XII ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1; SGB X § 45 Abs. 2 S. 3, § 50 Abs. 1, § 105 Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 14 AS 328/18 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.06.2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ¼ der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.09.2010 und die Rückforderung von insgesamt 3.629,09 Euro.

Die am 00.00.1947 geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. In Russland arbeitete sie als Bauingenieurin. Im Jahr 1999 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik ein. Sie hat zwei Töchter, die mit ihren Kindern in Russland leben.

Im Jahr 2004 bezog die Klägerin Sozialhilfe von der Stadt E. Im August 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersarbeitsrente für Frauen beim Rentenfonds der Russischen Föderation. Der Rentenfonds bewilligte der Klägerin ab dem 01.09.2004 eine Altersarbeitsrente. Die Rente wurde vom Rentenfonds auf das am 21.08.2004 auf den Namen der Klägerin eingerichtete Konto mit der Konto-Nr. 000 bei der T-Bank überwiesen. In der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 23.05.2008 existierte ein Dauerauftrag zugunsten eines Kontos der älteren Tochter der Klägerin, Frau N. In der Zeit vom 19.04.2008 bis zum 15.01.2011 erfolgten von diesem Konto aus Geldüberweisungen auf ein Konto mit der Konto-Nr. xxx. Dieses Konto wiederum hatte die Klägerin zum 25.04.2007 eröffnet und Frau N eine Kontovollmacht erteilt.

Am 03.09.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Im Antragsformular trug sie in der Rubrik "RV-Nr. wurde beantragt, RV-Nr. soll beantragt werden, Geburtsland/-ort" "Russland" ein. In den Folgeanträgen verneinte die Klägerin die Frage nach einer Veränderung ihrer Einkommensverhältnisse.

Im Fortbewilligungsantrag vom 20.08.2008 verneinte die Klägerin unter Ziffer 4 die Frage nach Einkommen (Aktuelle Angaben zu den Einkommensverhältnissen "Einkommen sind auch Sozialleistungen und Renten"). In der dem Antrag beigefügten Anlage EK verneinte die Klägerin die Frage 1d "Beziehen Sie Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung (z.B. Rente wegen Alters.)?" Auch in den Folgeanträgen verneinte die Klägerin in Ziffer 4 die Frage nach Einkommen sowie in der beigefügten Anlage EK u.a. die Frage 1d.

Die Klägerin bezog in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2011 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Seit dem 01.03.2012 erhält die Klägerin eine Regelaltersrente der deutschen Rentenversicherung sowie Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Der Sozialhilfeträger teilte der Klägerin im Februar 2012 mit, ihre russische Rente stelle anrechenbares Einkommen dar. Ab März 2013 wurde die russische Rente auf ein Konto der Klägerin in der Bundesrepublik überwiesen.

Mit Schreiben vom 23.02.2012 zeigte die Stadt E dem Beklagten an, die Klägerin habe den Bezug einer russischen Rente i.H.v. ca. 150,00 Euro monatlich angegeben. Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin m...

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