Entscheidungsstichwort (Thema)
Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Analyse. keine Abrechenbarkeit vor dem 1.1.1996
Orientierungssatz
1. Molekularbiologische Untersuchungen mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) sind erst seit dem 1.1.1996 in der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbar (Geb-Nrn 4821 und 4822 EBM 1996).
2. Dem Bewertungsausschuß obliegt innerhalb seines Gestaltungsspielraumes die Entscheidungsfreiheit, welche Leistungen und ab wann er diese in die vertragsärztliche Versorgung aufnimmt. Seine Entscheidung, PCR-Leistungen erst ab dem 1.1.1996 teilweise für abrechenbar zu erklären, ist nicht zu beanstanden.
3. Dem steht nicht entgegen, daß eine neue Methode unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingesetzt werden kann.
4. Der Entscheidungsprozeß im Bewertungsausschuß ist ein Akt wertender und abwägender Erkenntnisgewinnung auf der Grundlage durchaus unterschiedlicher Interessenansätze der Ärztevertreter einerseits und der Krankenkassenvertreter andererseits.
5. Angesichts der Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Bundesausschuß und Bewertungsausschuß kann es eines erheblichen zeitlichen Nachlaufs bedürfen, bis der Bundesausschuß seine Empfehlung abgegeben hat und der Bewertungsausschuß diese mit Punktzahlen in den EBM als Gebührenposition einsetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung für von den Klägern mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (mikrobiologische PCR) in den Quartalen III/1994 bis III/1995 durchgeführte Untersuchungen.
Die Kläger sind in Gemeinschaftspraxis als Ärzte für Laboratoriumsmedizin in P. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie haben in einer Reihe von Fällen für von ihnen erbrachte PCR-Leistungen die Ziffern 4877, 4879 EBM und 4880 EBM angesetzt. Mit Bescheiden von 7.2.1995 (III/1994), 27.3.1995 (IV/1994), 12.7.1997 (I/1995), 11.10.1995 (II/1995) und 15.1.1996 (III/1995) wandelte die Beklagte die angesetzten Ziffern 4877 bis 4880 EBM in die Ziffern 4774 bzw. 4681 EBM um. Die gegen die Bescheide vom 7.2.1995 und 27.3.1995 gerichteten Widersprüche wies sie durch Bescheid vom 27.6.1995 zurück.
Mit der hiergegen gerichteten Klage haben die Kläger vorgetragen, der Bewertungsausschuß habe seine gesetzlichen Pflichten verletzt, weil er bis zum 1.1.1996 keine Gebührenziffer für PCR-Leistungen geschaffen habe. Ohne PCR-Leistungen sei eine ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet. Zumindest hätte der Bewertungsausschuß von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch machen müssen. Ermessensfehlgebrauch oder -nichtgebrauch und mißbräuchliche Erwägungen seien dafür ursächlich, daß der Bewertungsausschuß die PCR-Leistungen nicht schon vor dem 1.1.1996 in den EBM aufgenommen habe. Es sei ihnen nicht zuzumuten, nicht zu vergütende Leistungen zu erbringen. Das Sozialgericht Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 21.3.1996 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe die von den Klägern angesetzten Ziffern zu Recht umgewandelt. Das Begehren der Kläger, die in den streitbefangenen Quartalen erbrachten PCR-Leistungen nach dem ab dem 1.1.1996 geltenden EBM honoriert zu bekommen, scheitere schon daran, daß dieser ohne Rückwirkung erst ab dem 1.1.1996 in Kraft getreten sei. Eine Honorierung dieser Leistung nach einem vom Gericht zu schaffenden Bewertungsmaßstab komme vollends nicht in Betracht. Auf den beantragten Sachverständigenbeweis darüber, ob die PCR-Methode schon vor dem 1.1.1996 Stand der medizinischen Wissenschaft gewesen sei, komme es nicht an. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wären die Grenzen des dem Bewertungsausschuß eingeräumten Spielraums nicht überschritten, wenn die konkrete Entscheidung sachlich und unter medizinischen Gründen nachvollziehbar begründet sei.
Mit ihrer Berufung tragen die Kläger vor, Untersuchungen zum Nachweis viraler DNA seien den Leistungsbeschreibungen der Ziffern 4877 bis 4880 des EBM (Stand 1.4.1994) nicht "ähnlich", es handele sich vielmehr um dieselbe Methode. Die Leistungslegenden seien daher erfüllt. Im übrigen hätten die PCR-Leistungen in den streitigen Quartalen zur angemessenen und notwendigen medizinischen Versorgung gehört. Der Bewertungsausschuß hätte deswegen schon 1994 diese Leistungen in den EBM aufnehmen müssen. Das sei durch die KBV verzögert worden. Im Deutschen Ärzteblatt vom 3.2.1995 heiße es hierzu: "Es gibt einen Beschluß des KBV-Vorstandes, wonach solange keine neuen Leistungen Aufnahme in den EBM finden sollen, solange die Gesamtvergütung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung nicht entsprechend aufgestockt wird." Die Vertreter der Ärzteseite im Bewertungsausschuß seien dem gefolgt. Dies sei sachwidrig. Der Bewertungsausschuß habe sein Gestaltungsermessen nicht ausgeübt, die inhaltlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit für Hepatitis- und HIV-PCR überschritten und sich wesentlich auf mißbräuchliche Erwägungen gestützt. Das Sozialgericht habe sein Urteil mit angeblichen Entscheidungen des Bewer...