Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. selbst beschaffte Pflegehilfe. Abrufung. halbjährlicher Pflegeeinsatz. Pflegeeinrichtung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Vorschrift des § 37 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 11, halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung abzurufen und die Vergütung hierfür bis zu 30,-- DM zu tragen, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, halbjährlich einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung abzurufen und die Vergütung hierfür in Höhe von 30,-- DM zu tragen.
Der 42jährige Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter und bezieht seit dem 01.04.1995 von der Beklagten Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) in Form des Pflegegeldes für selbst sichergestellte Pflegehilfe.
Im Februar 1996 rief der Kläger nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte einen Pflegeeinsatz durch eine Pflegeeinrichtung ab. Gegen diese Verpflichtung wandte er sich mit Schreiben vom 31.01.1996 und machte geltend: Er habe die für ihn erforderliche Pflege seit vielen Jahren selbst durch Kräfte seines Vertrauens organisiert, was ihm ein eigenverantwortliches und vor allem selbst bestimmtes Leben ermöglicht habe. Dem werde das Pflegeversicherungsgesetz nicht gerecht, das vornehmlich auf die Bedürfnisse älterer Menschen abstelle, die Belange behinderter Menschen aber nicht ausreichend berücksichtige. Insoweit bedürfe die in § 37 Abs. 3 SGB XI getroffene Regelung dringend einer Korrektur. Diese Vorschrift sei sowohl aus verfassungs- als auch aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich und nicht haltbar. Er sehe darin einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und einen Verstoß gegen das grundgesetzlich verankerte Diskriminierungsverbot, wenn unter dem Aspekt und Vorwand der Pflegequalitätsverbesserung fremde Personen Kriterien der Objektivierung seiner Pflege festlegten. Mit Schreiben vom 06.02.1996 wies die Beklagte auf die gesetzgeberische Zielsetzung und mögliche Abrechnungsmodalitäten hin. Mit Rechnung vom 23.02.1996 stellte der mobile Pflegeservice der Beklagten eine Pauschalgebühr von 30,-- DM für die Begutachtung des Klägers in Rechnung. Nachdem der Kläger eine Abtretungserklärung vorgelegt hatte, rechnete die Beklagte die Kosten des Pflegeeinsatzes auf das Pflegegeld für den Monat Mai 1996 an. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, der Pflegeeinsatz stelle sich als Farce dar, deren Kosten nicht zu seinen Lasten gehen könnten.
Mit Bescheid vom 10.06.1996 wies die Beklagte auf die nach dem Gesetz bestehende Zahlungsverpflichtung des Klägers hin und lehnte eine Rückzahlung ab. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor: Er bestehe auf einer Rückzahlung. Er habe sich nur notgedrungen und unter Protest dem Pflegeeinsatz unterworfen, um die Zahlung des Pflegegeldes nicht in Frage zu stellen. Der Zwang, sich einem solchen Pflegeeinsatz zu unterziehen, sei für lediglich Körperbehinderte, die ihre Pflege selbst organisierten, diskriminierend. Der Widerspruchsausschuß der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1997 u.a. mit der Begründung zurück, für die vom Kläger gewünschte Befreiung von der Verpflichtung zum Abruf eines Pflegeeinsatzes fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Der Kläger hat am 12.03.1997 vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben und vorgetragen: Da er die für ihn erforderliche alltägliche Hilfe selbst durch Beauftragung von Pflegepersonen, die entgeltlich tätig würden, organisiere, könne er nicht einsehen, warum er nunmehr turnusmäßig alle halbe Jahre einen Pflegeeinsatz einer professionellen Pflegeeinrichtung über sich ergehen lassen solle. Hierin liege ein völlig unverhältnismäßiger und überflüssiger Eingriff in seine persönliche Lebensführung. Zudem fehle dadurch Geld für die Bezahlung der täglichen Pflege. Ein derartiger Pflegeeinsatz sei überflüssig und beeinträchtigend für lediglich körperlich Behinderte. Es sei in Fällen wie dem seinen völlig ausreichend, wenn die zuständige Pflegekasse vor bzw. bei Bewilligung der Leistung die Pflegesituation prüfe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1997 zu verurteilen, ihn von der Verpflichtung zum Abruf von Pflegeeinsätzen zu befreien und ihm für den Monat Mai 1996 Pflegegeld in restlicher Höhe von 30,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihren Standpunkt weiterhin aufrechterhalten und zusätzlich vorgebracht, die Eignung der selbstbeschafften Pflegehilfe solle auch im Interesse des Pflegebedürftigen sichergestellt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.07.1997 u.a. mit folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger könne von der Beklagten nicht verlangen, von der Verpflichtung zum Abruf von Pflegeeinsätzen befreit zu werden und die für einen durchgeführten Pflegeeinsatz entstandenen und mit dem Pfl...