Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosigkeit. kurzzeitige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Geschäftsfahrt. Berücksichtigung der Fahrzeit

 

Orientierungssatz

Ein Selbständiger, der unter Berücksichtigung der Fahrzeit für Geschäftsfahrten (Baustellenbetreuung) die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG überschreitet, ist nicht arbeitslos iS von § 101 AFG.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.01.1996.

Der Kläger war vom 01.07.1987 bis 31.12.1993 als Brandschutzingenieur beitragspflichtig beschäftigt. In der Folgezeit nahm er eine selbständige Tätigkeit auf, die aus Detailplanung von Sprinkleranlagen, Akquisition und Angebotsausarbeitung für Neuaufträge bestand. In der Zeit bis 31.12.1995 wandte er hierfür in der Regel 42 Stunden wöchentlich auf.

Der Kläger meldete sich am 01.01.1996 arbeitslos und beantragte Alg. Er gab in diesem Zusammenhang an, seine selbständige Tätigkeit nur noch 17 Stunden wöchentlich auszuüben. Es handele sich um eine Restabwicklung von weitgehend abgeschlossenen Aufträgen für Sprinkleranlagen aus den Jahren 1994 und 1995. Nachdem die Beklagte nähere Beschreibungen über den zeitlichen Umfang der ausgeübten Tätigkeit angefordert und der Kläger an Hand von Terminnotizen für die Zeit vom 01.01.1996 bis 30.07.1996 einerseits eine 17-stündige Tätigkeit je Woche bestätigt, andererseits für Januar 1996 Tankbelege aus Anlass von Fahrten zu Kunden nach z. B. D, S, L, O, N, L, F sowie D vorgelegt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 09.12.1996 den Antrag ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger habe eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, die die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden wöchentlich überschritten habe. Er sei deswegen nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Leistungsanspruch. Hiergegen erhob der Kläger am 08.01.1997 Widerspruch. Er trug zu dessen Begründung vor, die Beklagte dürfe nicht die Wegezeiten zwischen der Wohnung und den Arbeitsstätten -- den Kunden -- als Arbeitszeit berücksichtigen. Es habe sich lediglich um Anfahrtzeiten gehandelt, um vor Ort die Berufstätigkeit ausüben zu können.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 04.03.1997 mit der Begründung zurück, die Fahrzeiten stellten einen Bestandteil der Aufträge dar, um sie zu erhalten und sie durchzuführen. Sie seien daher als Arbeitszeit zu berücksichtigen (abgesandt am 05.03.1997).

Hiergegen richtet sich die am 27.03.1997 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung weiterhin die Auffassung vertreten, die Fahrzeiten könnten bei der Ermittlung der Kurzzeitigkeitsgrenze nicht einbezogen werden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.12.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.03.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auf seinen Antrag vom 01.01.1996 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.05.1999 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen dargelegt, der Kläger sei während seiner Tätigkeit als Selbständiger im Januar 1996 mehr als kurzzeitig tätig gewesen, weil er die Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden überschritten habe. Zu den von ihm angegebenen 17 Stunden wöchentlich, die er bei den Kunden tätig gewesen sei, seien die Anfahrtzeiten als Teil der Arbeitszeit hinzuzurechnen. Er sei daher nicht arbeitslos gewesen, so dass er in keinem Fall die Anwartschaftszeit für Alg erfüllen könne. Innerhalb der Dreijahresfrist des § 104 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) könne er keine 360 Kalendertage einer beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachweisen, weil seine letzte beitragspflichtige Beschäftigung am 31.12.1993 geendet habe und er die Anwartschaftszeit im Hinblick auf seine vorherige selbständige Tätigkeit frühestens wieder ab 01.02.1996 hätte erfüllen können. Dann sei es aber nicht mehr möglich gewesen, innerhalb der letzten drei Jahre 360 Kalendertage einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachzuweisen.

Gegen das am 27.05.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.06.1999 (Montag) eingelegte Berufung. Der Kläger verbleibt zu deren Begründung bei seiner Auffassung, die Anfahrtzeiten seien nicht als Arbeitszeit zu berücksichtigen. § 102 Abs. 1 AFG stelle ausschließlich auf den Zeitumfang der der Natur der Sache nach ausgeübten Beschäftigung ab. Es sei daher auf die Qualität der Arbeit abzustellen, die im Betrieb des Kunden ausgeübt werde. Diese Stelle das Wesen der Tätigkeit dar. Demgegenüber sei die Anfahrt dorthin untergeordnet und könne nicht als die Berufstätigkeit des Klägers angesehen werden. Da § 102 AFG zur Abgrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten ausschließlich auf den zeitlichen Umfang der Tätigkeit abstelle, spiele es keine Rolle, ob und welche Erlöse der Kläger erziele. Seine Anfahrt zu den Kunden sei mit den Fahrten beitragspflichtiger Arbeitnehmer zur Betriebsstätte vergleichbar.

Der Kläger beantr...

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